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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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weinten.
    »Bitte, Herrin, lasst mich von hier wegschaffen«, stöhnte die Gebärende. »Ich kann doch nicht vor aller Augen das Balg zur Welt bringen!«
    »Es kommt zu früh«, raunte eine der Gevatterinnen Marthe zu.
    Hastig rief Marthe zwei Männer herbei, die in der Nähe standen, und ließ sie die Frau auf den Tisch in ihrer Kräuterkammer schaffen. Johanna hatte mitbekommen, welcher Notfall vorlag, und folgte ihnen mit raschen Schritten.
    Noch im Laufen verkürzte Marthe ihre weiten Ärmel mit Knoten, dann scheuchte sie die Männer hinaus, entzündete eine Kerze und schlug der Kreißenden die Röcke hoch.
    »Der Kopf ist gleich draußen! Rasch, Leinen und Wasser!« Schon lief Johanna wieder hinaus.
    Hastig goss sich Marthe Wasser aus einem Krug über Hände und Arme, sprach ein Gebet und stellte sich zwischen die Beine der Fremden. Gerade noch rechtzeitig, denn schon bei der nächsten Wehe trat der Kopf aus. Noch eine, dann konnte Marthe das Neugeborene auffangen.
    Während sie die Nabelschur durchtrennte, betrachtete sie das winzige Wesen besorgt, das zwar Ärmchen und Beine mit einem einzigen Zucken bewegt hatte, aber keinen Laut von sich gab.
    »Ist es tot?«, ächzte die Fremde qualvoll.
    »Nein, es lebt.«
    Die Wöchnerin sagte kein Wort, und Marthe hatte jetzt keine Zeit, mit ihr zu reden. Während die inzwischen zurückgekehrte Johanna es übernahm, die Nachgeburt zu entbinden, säuberte Marthe hastig das Neugeborene von dem Schleim, der Mund und Nase füllte, und blies vorsichtig Atem in den winzigen Körper.
    Endlich begann sich der kleine Brustkorb von selbst zu heben und zu senken, und einen Augenblick später gab das Menschlein einen wimmernden Protestschrei über die Umstände seiner Geburt von sich.
    Marthe atmete erleichtert auf. »Es ist ein Junge!«, rief sie der Wöchnerin zu.
    Die Freude und Erleichterung auf dem Gesicht der Fremden wich unversehens Besorgnis. »Nun habe ich vier. Wie soll ich sie nur alle durchbekommen?«
    »Jetzt seid ihr in Sicherheit«, beruhigte Marthe sie.
    Obwohl sie wusste, dass ihr Kleid verdorben und das Neugeborene noch nicht richtig gesäubert war, zögerte sie nicht länger.
    »Ich schaff es zum Kaplan!«, rief sie. »Welchen Namen soll es bekommen?«
    »Frieder, nach seinem Großvater.«
    Sie nahm das Kind, hüllte es in ein paar Tücher und lief damit hinaus.
    Dann stieg sie auf den Klotz, auf dem sie noch vor kurzem – ihr schien, es sei es vor einer Ewigkeit gewesen – gesessen hatte, blickte auf das unbeschreibliche Gewimmel vor sich und versuchte, sich bemerkbar zu machen.
    »Soll ich helfen?«, bot Peter an, und als sie nickte, rannte er zum Burgtor, redete kurz auf die Wache ein und bekam tatsächlich die Erlaubnis, auf das Eisen zu hauen, mit dem Alarm geschlagen wurde.
    Das zeigte Wirkung: Während selbst ein lauter Pfiff oder Ruf in dem Lärm untergegangen wäre, verstummten die Menschen nun schlagartig und blickten um sich.
    Marthe straffte sich und reckte das winzige Bündel in die Höhe, das sich mit einem lauten Krähen über das grelle Sonnenlicht beschwerte.
    »Seht!«, rief sie. »Das erste Kind vom Rammelsberg, das in Christiansdorf geboren wurde. Ein Junge! Und seine Mutter ist wohlauf!«
    Überraschte, fassungslose und frohe Blicke richteten sich auf Marthe und ihre winzige Last.
    »Wenn das kein gutes Zeichen ist!«, rief ein Mann mit tiefer Stimme aus der Menge. »Gott segne Euch und dieses Kind!«
     
    Marthe hätte später nicht sagen können, was sie den Rest des Tages über alles getan hatte. Zu viel war auf sie eingestürzt. Nachdem die Bedürftigen erst einmal zu essen und zu trinken bekommen hatten, übernahmen es der Bergmeister und die Obersteiger, aufzuteilen, wer wo untergebracht wurde, und schlichteten die ersten aufkommenden Streitigkeiten.
    Wie Marthe erst später erfuhr, gab es nicht nur freudige Wiedersehen zwischen Christiansdorfern und Goslarern. Einer von Hermanns Männern hatte sich wegen eines alten Streites wütend auf einen der gerade Angekommenen gestürzt. Ein anderer begann eine Schlägerei, als er mitbekam, dass seine zurückgelassene Schwester, die er nun erstmals nach Jahren wiedersah, inzwischen einen anderen Mann geheiratet hatte, als er wollte.
    Es war längst dunkel, bis endlich alle untergebracht und die Kranken versorgt waren und Ruhe einkehrte.
    Da erst fand auch Christian Zeit, sich den Staub von der Haut zu waschen. Marthe hatte ein sauberes Kleid angezogen, und nun saßen sie gemeinsam mit

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