Die Entscheidung der Hebamme
zur allgemeinen Geschäftigkeit passte, ließ ihn sich blitzschnell umdrehen. Jemand näherte sich ihm mit gleichmäßigen Schritten, kein Stallbursche, sondern ein Mann in guten Stiefeln. Lukas hatte seinen Dolch schon gezogen, als er den unerwarteten Besucher erkannte.
»Verschwinde, Verräterseele!«, knurrte er seinen Bruder an, ohne den Dolch sinken zu lassen, und spie ihm verächtlich den Strohhalm vor die Füße, auf dem er herumgekaut hatte.
Jakob hob abwehrend die Hände, als erwarte er, dass sein Bruder zustach.
»Ich hab mir gedacht, dass ich dich hier finde«, meinte er verlegen.
»Dann hattest du wahrhaftig einmal einen richtigen Gedanken. Wohl dein einziger seit langem. Aber du fandest es wahrscheinlich schlau, dich jetzt schon beim künftigen Markgrafen anzubiedern, nicht wahr?«
Jakob wich einen halben Schritt zurück angesichts der tiefen Verachtung, mit der sein Bruder ihm begegnete.
»Verschwinde aus meiner Nähe, ehe ich dich zu Boden schlage!«, zischte ihm Lukas wütend entgegen. »Und glaub mir, das kostet mich immer noch die geringste Mühe!«
»Hör zu«, versuchte Jakob ihn zu beschwichtigen. »Wenn du Christians Freund bist, dann halt jetzt einfach mal den Mund und hör mir zu! Ich habe nämlich nicht viel Zeit, dann muss ich mich wieder in der Halle blicken lassen.«
»Ja, bei deinen hinterlistigen Freunden.«
Jakob seufzte angesichts der Starrköpfigkeit seines Bruders, dann sprach er mit gesenkter Stimme. »Es ist nicht so, wie du denkst. Sie wissen nichts von unserer Aussöhnung, sie glauben immer noch, ich sei mit Christian und dir zerstritten, deshalb schlug Elmar Albrecht vor, mich in sein Gefolge aufzunehmen. Ich stimmte zu, um euch warnen zu können.«
»Hast du Albrecht einen Lehnseid geschworen?«, forderte Lukas zu wissen, kein bisschen einlenkend.
»Ja«, murmelte Jakob. »Aber kein ehrlicher Mann sollte jemandem wie ihm folgen müssen. Dass ich ihn jetzt verrate, habe ich allein mit Gott abzumachen, wenn es so weit ist.«
Immer noch misstrauisch, aber mit erwachendem Interesse, sah Lukas auf seinen Bruder.
»Christian sollte Vorbereitungen treffen, zu fliehen. Albrecht wird morgen wieder abreisen und in vier Wochen wiederkommen, um alles Silber zu holen. Und dabei will er Christian aus dem Weg räumen«, warnte Jakob.
Er schluckte, dann sagte er: »Du solltest vielleicht besser mit ihm fliehen.«
»Weißt du genau, was er plant?«, fragte Lukas, immer noch nicht völlig von der Aufrichtigkeit des Jüngeren überzeugt. Vielleicht wollte Albrecht sie dazu bringen, freiwillig zu gehen, damit er freie Hand hatte.
»Nein. So sehr trauen sie mir auch nicht. Aber sobald ich etwas erfahre, gebe ich euch Bescheid. Über einen von Peters Jungen.« Jakob hatte lange genug in Christiansdorf gelebt, um zu wissen, wie er das anstellen und an wen er sich dabei halten konnte.
»Was ist mit Christians Söhnen?«
»Sie sind noch auf dem Burgberg«, berichtete Jakob. »Aber ich hab ein Auge auf sie, zusammen mit ein paar heimlichen Verbündeten. Solange ich nicht da bin, wacht Friedmar über sie.«
Auf Friedmar ist Verlass, dachte Lukas erleichtert. Der bejahrte Ritter war angesehen genug, dass sein Wort auch von anderen respektiert wurde.
»Ich muss zurück.« Ohne ein weiteres Wort drehte sich Jakob um und ging.
Nachdenklich sah Lukas ihm nach. »Gott schütze dich, Bruder, solltest du recht haben«, murmelte er vor sich hin. »Und Er schütze dich erst recht vor meinem Zorn, solltest du mich belogen haben.«
Albrecht brach mit seinem Gefolge bereits am nächsten Morgen wieder auf – nicht ohne Christian persönlich dafür verantwortlich gemacht zu haben, dass jede verfügbare Unze Silber für ihn bereitstand, wenn er in vier Wochen wiederkäme.
Die Reiterkolonne hatte den Burghof kaum verlassen, da rief Christian Marthe, Lukas und Reinhard in seine Kammer.
Jakob hatte ihnen über Peters Schwester noch eine Nachricht überbringen lassen.
Ekkehart hatte den Überfall mit einer leichten Verletzung überstanden und war von der Wartburg als Bote geschickt worden, um Albrecht die Nachricht von der Festsetzung seines Vaters zu überbringen. Der Thüringer Landgraf musste geahnt oder gar gewusst haben, dass Ottos Erbe nicht sofort Beschwerde beim König oder beim Kaiser einlegen würde. Statt Hedwig und Dietrich zu begleiten, sollte Ekkehart auf dem Burgberg bleiben, vorgeblich, um seine Verletzung auszukurieren, und erst dann seinen Dienst als Befehlshaber von Ottos
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