Die Entscheidung der Hebamme
sprechen.«
Witwe! Erst allmählich drang das Wort zu Marthes Innerem durch. Sie war jetzt Witwe.
Wortlos half ihr Lukas hoch und begleitete sie.
Er musste am Eingang der Halle warten, da er schließlich nicht aufgefordert war, zu erscheinen, aber um nichts in der Welt hätte er jetzt Marthe allein zu Albrecht gehen lassen. Wer weiß, was er für sie plante – es war auf keinen Fall etwas Gutes.
»Ich sollte Euch ins Verlies werfen lassen für Eure Unverschämtheit heute Morgen«, begann Albrecht, nachdem Marthe mit versteinerter Miene vor ihm niedergekniet war. »Aber ich will Euch zugutehalten, dass der Schmerz über den Verlust Euren Verstand trübt.«
Marthe sagte kein Wort, sondern starrte Albrecht nur ins Gesicht.
»Ihr werdet verstehen, dass nun kein Platz mehr für Euch auf der Burg ist. Ich will so großzügig sein, Euch drei Tage Frist zu gewähren, um Eure persönlichen Besitztümer zusammenzupacken und diese Gemäuer zu verlassen. Eure Bediensteten dürfen Euch begleiten. Dann wird der neue Vogt, den ich ernennen werde, das Amt und die ihm zustehenden Gemächer übernehmen.«
»Ich verlasse die Burg noch heute«, antwortete Marthe, so ruhig sie konnte.
Sie wollte nichts wie fort von Albrecht und seinen Mordgesellen. Sie würde mit den Ihren wieder in das Haus ziehen, in dem sie glücklich mit Christian gelebt hatte, bevor er zum Burgvogt ernannt worden war. Sie wollte nicht unter einem Dach mit seinem Mörder hausen.
Und sie wusste genau, was Albrecht als Nächstes und Letztes verfügen würde, in dem vergeblichen Versuch, Christians Andenken zu tilgen.
»Gut, das erleichtert es, was ich Euch noch mitzuteilen habe«, fuhr Ottos Sohn salbungsvoll fort. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Euer Gemahl in der Burgkapelle aufgebahrt liegt. Ihr müsst einsehen, dass dies nicht der richtige Ort ist für jemanden, der sich in solchem Maße schuldig gegenüber seinem Fürsten gemacht hat. Also, nehmt seinen Leichnam und sorgt für ein angemessenes Begräbnis in aller Stille. Eure Söhne können Euch begleiten. Sie sind aus den markgräflichen Diensten entlassen und müssen sich nicht mehr unterm Altar verkriechen.«
Sie sah, wie sich Elmar zu Albrecht hinabbeugte und ihm etwas zuflüsterte.
Albrecht zog die Augenbrauen hoch.
»Denkt daran: in aller Stille!«, wiederholte er drohend. »Seid dankbar, wenn er überhaupt in geweihter Erde begraben werden darf! Solltet Ihr mit seinen Anhängern einen Aufruhr anzetteln, werde ich alle Beteiligten aufs härteste bestrafen!«
Lukas sah Marthe am Ausgang der Halle mit finsterer Miene entgegen.
»Waltrud soll packen und sich dazu als Helfer nehmen, wen sie braucht. Ein paar Mägde sollen unser altes Haus an der Dorflinde herrichten«, sagte Marthe.
Das Steinhaus hatte einige Zeit leer gestanden und war nur hin und wieder genutzt worden, wenn es auf der Burg zu voll wurde. Aber zwei, drei tüchtige Frauen würden es im Handumdrehen bewohnbar machen. Das Haus hatte sogar eine eigene Kapelle, die Christian errichten ließ, nachdem Marthe nur mit knapper Not der Anklage der Hexerei entkommen war. So musste sie nicht mehr bei dem fanatischen Pater Sebastian beichten, sondern bei Hilbert, den Christian in sein Haus geholt hatte.
Marthe wunderte sich, dass sie in ihrer derzeitigen Situation überhaupt fähig war, klare Anweisungen zu erteilen – als sei weiter nichts geschehen, als ginge es nur darum, eine Reise vorzubereiten.
Doch letztlich war es genau das: Christians letzte Reise. Sie sollte Teil seines Vermächtnisses werden.
Gemeinsam mit Lukas ging Marthe zurück in die Kapelle.
Die dort Wartenden richteten sofort fragende Blicke auf sie. Sie berichtete kurz von Albrechts Befehlen und ihren Entschlüssen, dann bat sie alle bis auf ihre Kinder, die Nachricht im Dorf zu verbreiten, dass Christians Leichnam kurz vor Sonnenuntergang in sein Haus nahe der Dorflinde getragen werden würde.
»Wenn du einverstanden bist, nehme ich deine Söhne nach dem Begräbnis zu mir«, schlug Raimund vor. »Albrecht wird ihnen nun ohnehin keinen Platz auf dem Burgberg mehr zubilligen, und es ist besser, wenn sie außerhalb seiner Reichweite sind.«
Marthe nickte erleichtert. Bei Raimund würden ihre Söhne gut aufgehoben und in Sicherheit sein.
Nachdem die Männer gegangen waren, bat sie ihre Stieftöchter, Christians blutdurchtränkten Bliaut zu holen.
Sie hätte die Totenwäsche lieber selbst übernommen, wäre ihr die tüchtige Mechthild nicht
Weitere Kostenlose Bücher