Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
Vom Netzwerk:
graziler Körper hergab, und erwischte Nils mit dem trichterförmigen Endstück des Laufes am Kopf.
    Der Schwede blickte überrascht auf, verdrehte leicht die Augen, geriet ins Schwanken.
    Endlich war Bernina bei ihm, stützte seinen Oberkörper mit beherztem Griff. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass er auf die Knie sank.
    »Lass mich«, meinte er wütend, wohl überrascht, dass er den Unbekannten unterschätzt hatte. »Ich muss dem Kerlchen hinterher.«
    »Nein«, widersprach Bernina und packte seinen Arm fester.
    »Wo ist der Wicht bloß?«
    »Er ist weggelaufen, Nils, was sonst?«
    Tatsächlich, von dem Unbekannten war nichts mehr zu sehen, nichts mehr zu hören. Verschluckt von der verblassenden Nacht, wie ein Geist hatte er sich in Luft aufgelöst.
    »Er kann noch nicht weit sein.« Nils starrte in die Umgebung, als könnte sein Blick den Flüchtenden einfangen.
    »Es hat keinen Sinn, Nils, du bist barfuß, du bist vielleicht verletzt.«
    »Verletzt«, wehrte er mit lässiger Handbewegung ab. »Das gibt vielleicht eine Beule an meinem Dickkopf, mehr nicht.«
    »Trotzdem«, ließ Bernina nicht locker. »Wer weiß, ob er überhaupt allein ist? Wer weiß, ob er nicht noch eine Waffe oder die Pistole wieder nachgeladen hat? Und du hast nicht einmal ein Messer, Nils.«
    Er fluchte. »Das habe ich schön versaut. Ich hatte ihn schon zwischen meinen Fingern, diesen Winzling.«
    »Die Hauptsache ist«, beschwichtigte Bernina, »dass dir nicht mehr zugestoßen ist.«
    »Jedenfalls war das der Kerl.« Nils sah sich zornig um. »Das kann nur der dürre Hering gewesen sein, von dem Hermann sprach. Also stimmt es: Kein Zufall, dass der Fremde deinen Namen nannte, Bernina. Da steckt mehr dahinter.«
    »Lass uns hineingehen«, schlug sie vor. »Und dann erzähl mir in aller Ruhe, wie es überhaupt so weit gekommen ist.«
    Bernina ging voran ins Haus. Gleich darauf saßen sie sich am Küchentisch gegenüber. Ein Talglicht sorgte für Helligkeit, und allmählich drang der neue Tag durch die Ritzen der Fensterläden herein.
    »Ich weiß nicht genau, wodurch ich wach wurde«, erklärte Nils gerade, mit einer Hand den schmerzenden Kopf haltend. »Möglich, dass der Bursche irgendeinen Laut verursacht hat, als er ums Haus schlich. Vom Schlafzimmer aus starrte ich durch die Läden nach draußen, aber so war natürlich nichts zu entdecken. Also ging ich nach unten. Ich öffnete die Tür – und da erblickte ich ihn.«
    »Merkwürdig«, warf Bernina leise ein.
    »Ich hatte den Eindruck, er wäre gerade von der Scheune herüber gekommen, genau auf den Eingang des Hauses zu. Ob er einbrechen wollte – ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
    »Das meine ich mit ›merkwürdig‹. Was hatte der nur vor?«
    »Wir starrten uns an. Eigentlich fast schon wieder lustig, das Ganze.« Nils lachte auf. »Jeder von uns reichlich überrascht. Ich sah nur seinen Bart, seine Brauen, die fast über seine Augen wucherten. Ich stürzte nach draußen, er rannte weg, ich holte ihn ein und schnappte ihn mir. An der Stelle, wo du uns gesehen hast.«
    »Auf mich wirkte es, als hättest du es mit einem Jüngling von vielleicht 17 Jahren zu tun. Wäre der lange Bart nicht gewesen.«
    »Ging mir kaum anders.« Er nahm die Hand vom Kopf. »Beinahe hätte ich laut losgelacht, als er anfing, sich zu wehren. Aber dann. Tja. Plötzlich hatte er die Pistole. Damit habe ich nicht gerechnet. Er machte einen harmlosen Eindruck. Dünne Ärmchen wie ein Mädchen.«
    Bernina stand auf und ging zum Fenster. Nachdenklich öffnete sie es, dann stieß sie die Läden auf. »Was mag er auf unserem Hof gewollt haben?«, fragte sie.
    »Womöglich hat er es auf dich abgesehen.«
    Sie wandte sich Nils zu, zuckte ratlos mit den Schultern. »Aber aus welchem Grund?«
    Auch Nils erhob sich jetzt. Er nahm sie in den Arm. »Du hättest ihn sehen müssen, als ich ihm plötzlich gegenüberstand. Ich dachte, der fällt vor Schreck in Ohnmacht. Der sah ängstlicher aus als ein Hase. Als wäre ich der leibhaftige Höllendrache.«
    »Vielleicht kennt er dich – und fürchtet sich vor dir.«
    »Ach, das glaube ich nicht, Bernina.« Er schnaufte auf. »Nichts an ihm kam mir auch nur ein bisschen vertraut vor.«
    »Gehen wir nach oben?« Bernina schmiegte ihren Kopf an seine Brust. »Der Morgen schenkt uns noch etwas Zeit, bis er endgültig da ist.«
    »Warum eigentlich nicht?« Er stieß einen Laut des Ärgers aus. »Mein Schädel brummt gehörig. Dieser Mistkerl! Wenn ich den noch einmal

Weitere Kostenlose Bücher