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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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waren.
    »Miese kleine Bande.« Konrad hielt sie weiter in Schach, während er mit der freien Hand flüchtig seinen Bauch betastete.
    Baldus stöhnte auf.
    »Nicht bewegen«, zischte Konrad und wedelte mit der Pistole.
    Trotzdem trat Bernina an ihm vorbei und ging neben dem Knecht in die Knie. Sie riss ein Stück Stoff aus ihrem Kleid und tupfte damit das Blut ab, das über dem Ohr des Knechtes austrat. Sein Haar war völlig verklebt. Er war bei Bewusstsein und stöhnte. Bernina und von Mollenhauer halfen ihm auf die Beine. »Tut mir leid«, raunte er Bernina zu, die ihn aufmunternd anlächelte.
    »Was ist das?«, fragte von Mollenhauer plötzlich.
    »Was, verflucht noch mal?«, meinte Konrad sichtlich nervös.
    Ein geziertes Heben des Zeigefingers. »Hört genau hin.« Nun nahmen alle ein leises Ächzen wahr – das Ächzen vom Holz der Leitersprossen.
    »Sie kommen«, stellte von Mollenhauer sachlich fest.
    Bernina schien es, als hätte er sich, seit das Scheitern seines geheimnisumwitterten Vorhabens für ihn feststand, in sein Schicksal gefügt – er wirkte merkwürdig unbeteiligt und hatte sich offenbar aufgegeben.
    »Was ist mit Alwine?« Dumpf hing Konrads Stimme in der Luft. Die Frage war an niemanden gerichtet.
    Schwere Schritte näherten sich. Sie hatten das Talglicht gelöscht – doch das würde ihnen nicht helfen. Gleich würden die Männer hier sein. Die Schritte wurden lauter.
    Bernina stützte Baldus, der noch wacklig auf den Beinen war.
    »Ja, sie kommen«, wiederholte Konrad, dessen Hand sich um die Pistole verkrampfte.
    Um von Mollenhauers Mund war ein gequältes Lächeln voller Traurigkeit. »Meine geschätzte Bernina«, bemerkte er, »ich habe das dumpfe Gefühl, dass meine Tage gezählt sind.«
    »Was sind das für Männer?« Sie sah ihm in die Augen.
    »Wie ich schon einmal sagte: Es war mir ein großes Vergnügen, Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen.«
    Die Schatten zweier Männer wurden auf dem groben Sand des Bodens sichtbar. Konrad schnaufte hörbar auf.
    »Unglücklicherweise«, fügte von Mollenhauer hinzu, »eines meiner letzten Vergnügen.«
     
    *
     
    Er schreckte hoch, die Ellbogen in die Matratze gepresst. Seine Lider flatterten. Zunächst wusste er nicht, wo er sich befand. Dann nahm er den muffelnden Geruch der Bettdecke wahr, die Einzelheiten des Raumes, in den das erste Tageslicht floss wie ein mächtiger Strom.
    Wie lange hatte er geschlafen?
    In jedem Fall länger als gewollt. Als er sich auf das klapprige Bett gelegt hatte, war es noch dunkel gewesen.
    Und überhaupt – was hatte ihn geweckt? Nichts anderes als die Sorgen, die sich in sein Unterbewusstsein wühlten, die Sorgen um Bernina.
    Nils Norby stand auf. Sein Magen knurrte. Er fühlte sich noch müder als zuvor, die Ruhepause hatte ihn nicht gestärkt. Ein Laut ließ ihn aufblicken. Was war das?
    Gurgelnde Geräusche, die vom unteren Stockwerk heraufdrangen. Jemand trank, ja, jemand soff, wie das gierige Schlürfen unzweifelhaft erkennen ließ. Unwillkürlich erinnerte er sich daran, zwischen leeren Weinflaschen einen Krug Wasser in einem der unteren Zimmer gesehen zu haben. Mit einem Poltern wurde der Krug jetzt auf einer Tischplatte abgestellt.
    Norby zog das Messer, das Helene gehört hatte – nach wie vor die einzige Waffe, auf die er zurückgreifen konnte. Schritte ertönten auf der Treppe, langsame, schleppende Schritte, anscheinend von einer müden oder entkräfteten Person. Ihm fiel eine Art Verschlag auf, den er im Finstern gar nicht wahrgenommen hatte, ein winziges Zimmer in diesem größeren Raum.
    Die Schritte näherten sich. Schnell zog Norby sich in den Verschlag zurück, ließ jedoch die Tür offen. Seine Aufmerksamkeit war zurückgekehrt, den Hunger spürte er nicht mehr. Jetzt fielen ihm die Stoffstreifen auf – die gleichen wie im Erdgeschoss. Fesseln. Jemand war hier gefangen gehalten worden. Und da: ein Fetzen blauen Stoffes, dessen Anblick Nils Norby für einen jähen Moment ins Wanken brachte.
    Jemand betrat den großen Raum.
    Doch Norby war noch immer gefesselt von dem Stofffetzen. Langsam bückte er sich, um ihn mit den Fingerspitzen aufzuheben wie etwas überaus Kostbares. Der Fetzen stammte von einem hochgeschlossenen Kleid mit einer kleinen Halskrause, es war ein Kleid aus Berninas Besitz. Er war sich sicher, verdammt sicher, er konnte sich nicht irren, hätte jeden Eid darauf geschworen. Dieses Kleid hatte sie getragen, als er sie das letzte Mal gesehen hatte.
    Was war nur

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