Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung liegt bei dir!

Die Entscheidung liegt bei dir!

Titel: Die Entscheidung liegt bei dir! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
Und jeder Erwachsene spürt, dass man sich in einer funktionierenden Freundschaft nur dann wirklich entspannt und aufgehoben fühlt, wenn sie frei von Konkurrenz ist. Am Arbeitsplatz ist es nicht anders: Eine gute Arbeitsbeziehung zeichnet sich dadurch aus, dass Mitarbeiter sich ermutigt fühlen, offen zu sprechen, vertrauensvoll zu kooperieren, auch Fehler zuzugeben. Genau das aber zerstört die Belohnung. Wenn zum Beispiel ein Chef über Ihre Karriere im Unternehmen entscheidet, werden Sie wahrscheinlich Ihr Fähnchen in seinen Wind hängen. Sie werden den Druck spüren, ihm nach dem Mund zu reden. Sie werden nicht mehr die richtigen Dinge tun, sondern die Dinge richtig tun. Sie werden Fehler möglichst zu vertuschen |108| suchen und nicht als Lernchancen begrüßen. Offene und kooperative Arbeitsbeziehungen entstehen auf diese Weise niemals.
    Ein schlechter Schüler wird nicht zu einem guten, wenn ihm Geld als Belohnung für bessere Noten versprochen wird. Sanktionen bei schlechter Leistung (Hausarrest, Fernsehverbot, Taschengeldkürzung) verbessern sicher ebenso wenig die Leistung – und schaffen schon gar nicht eine vertrauensvolle Atmosphäre. Und ein inszenierter Wettbewerb zwischen Geschwistern um das bessere Zeugnis ist nicht einmal unbedingt für den Sieger beglückend.
    So lassen sich viele Menschen in ein System »Jeder gegen Jeden« einspannen, lassen es zu, dass Vertrauen, Gemeinsinn und Verantwortung für das Ganze sterben. Sie machen sich zu Marionetten einer Mechanik, die im Wesentlichen aus dem alten Machtmuster »Teile und herrsche!« besteht – was sie im Übrigen nicht davon abhält, lauthals Egoismus und allgemeinen Werteverfall zu beklagen. Sie sagen dann nicht mehr,
worauf
es ankommt, sondern vielmehr,
was
ankommt.

Prämien für Sinnlosigkeit
    Eine Mutter schrieb mir auf einen Zeitschriftenartikel einen Brief: »Was soll ich denn machen, wenn meine vierjährige Tochter jeden Abend dreimal aus dem Bett aufsteht und ins Wohnzimmer kommt?« Die Strategie »Bestrafen« würde Folgendes empfehlen: »Wenn du nicht sofort ins Bett gehst, meine herzallerliebste Tochter, dann darfst du morgen nicht mit Martina spielen.« Die Strategie »Belohnen« würde sagen: »Wenn du die nächsten fünf Tage im Bett |109| bleibst, schenke ich dir den Teddy, den du dir schon so lange wünschst.«
    Beides mag funktionieren. Kurzfristig. Fragen Sie sich selbst: »
Warum
kommt das Kind immer aus dem Bett?« Niemand von Ihnen ist zu alt, um sich nicht an mögliche Gründe erinnern zu können: Vielleicht ist diese Tochter zu früh ins Bett gebracht worden? Hat sie sich vielleicht tagsüber nicht richtig ausgetobt? Ist sie daher noch nicht müde? Vielleicht beschäftigt sie sich mit etwas, das einige Stunden zuvor passiert ist, und braucht noch einen Gesprächspartner? Sind Gespenster am Fenster? Oder vielleicht hat sie Stimmen im Wohnzimmer gehört, die so laut waren, dass sie immer wieder aufgewacht ist?
    Was immer es sein mag, das Mädchen hat
Gründe
für sein Handeln. Das wird immer wieder übersehen: Alle Menschen – auch Kinder! – handeln immer sinnvoll. Ihr Handeln ist in jedem Augenblick »voller Sinn«. Aus ihrer Sicht. Mag es aus der Sicht eines anderen auch noch so verrückt aussehen. Aus ihrer eigenen Perspektive ist es wichtig und richtig, so zu handeln.
    Die Strategie »Belohnen und Bestrafen« kümmert sich nicht um Gründe. An dem Warum ist sie nicht interessiert. Sie will Anpassung. Sie mag kurzfristig helfen, wenn sich das Kind tatsächlich anpasst. Aber welche Spätwirkung hat das beim Kind? Es lernt sehr schnell, dass es nicht mehr darum geht, etwas Sinnvolles zu tun, sondern sich für etwas aus seiner Sicht Sinnloses »auszahlen« zu lassen.
    Oft wird nicht getan,
    was sinnvoll ist,
    sondern was belohnt wird.
    Und das geht später weiter. Ein Seminarteilnehmer erzählte mir folgende Szene: »Ich saß im Wohnzimmer und wurde |110| Zeuge eines Gesprächs zwischen meinem zehnjährigen Sohn und meiner Frau. Mein Sohn sagte etwa: ›Du, Mama, mein Freund Jonathan bekommt von seinem Vater für jedes geschossene Tor 5 Euro. Ich bin ja nun Schwimmer. Wenn ich beim nächsten Wettkampf unter einer Minute schwimme, bekomme ich dann auch 5 Euro?‹ Darauf antwortete meine Frau fast beiläufig: ›Mein Sohn, ich möchte, dass du schwimmst, solange du Spaß am Schwimmen hast. Wenn es dir keinen Spaß mehr macht, möchte ich, dass du etwas anderes machst. Ich möchte aber nicht, dass du weiterschwimmst, um

Weitere Kostenlose Bücher