Die Entscheidung liegt bei dir!
Belohnung. Belohnungen untergraben unser natürliches Interesse, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun. Sie verhindern, dass wir uns für etwas engagieren, einfach weil es uns Spaß macht. Das muss uns klar sein:
Belohnung zerstört
die Motivation.
Und sie hat noch weitreichendere Konsequenzen.
Süße Drogen
Es ist fast unmöglich, einen Artikel zur Kindererziehung zu lesen, ohne über das Prinzip der »positiven Verstärkung« belehrt zu werden. Aber die Sache hat einen gewaltigen Haken. Genügten bei Ihren Kindern anfangs noch ein Paar neue Turnschuhe, mussten es vor zwei Jahren schon die Inlineskates sein. Im letzten Jahr war es dann ein einwöchiger Surfkurs auf Sylt. Und wehe, die Belohnung lässt sich in diesem Jahr nicht irgendwie steigern.
Wenn man auf diese Weise Menschen antreiben will, muss das
Reizniveau immer leicht nach oben
geschraubt werden – um die
gleiche
Leistung zu erzielen! Erster Preis: ein Essen mit dem Geschäftsführer. Zweiter Preis: zwei Essen mit dem Geschäftsführer.
Wohin soll das führen? Das Spiel verliert mit jeder neuen Runde. Belohnungen haben kurze Beine. Denn es liegt auf |103| der Hand, dass nur um den Preis permanenter Wiederholung oder Steigerung der Belohnung motiviert werden kann. Jede Motivierung erzeugt bestenfalls eine Strohfeuermotivation. Die Belohnung, vielleicht einmal unerwartet und als verdienter Dank ehrlich gewährt, wandelt sich, schaut nach vorn und wird zur Bestechung: Sie beinhaltet die Verheißung, bei ähnlichen Taten wieder und wieder … Aber wehe, wenn sie ausbleibt oder geringer als erwartet ausfällt. Wenn in einer aus Sicht des Empfängers vergleichbaren Situation eine Belohnung erwartet, aber dann nicht gewährt wird, hat das einen höheren negativen Wirkungsgrad als eine Bestrafung. Und je begehrenswerter eine Belohnung, desto demotivierender ist es, wenn sie ausbleibt.
Prüfen Sie sich selbst. Ich behaupte: Die Mechanik der Belohnung hat auch in Ihnen eine Belohnungssucht erzeugt. Oft geht es Ihnen nicht mehr um die Tätigkeit selbst, sondern nur noch um die nachfolgende Belohnung. Auf diese Weise haben Sie eine Abschöpfungsmentalität entwickelt, die sich anpasst und mitnimmt, was mitzunehmen ist.
Der Gedanke, der Sie dazu zu berechtigen scheint: Arbeiten, das Großziehen der Kinder, Studieren, das Ausführen des Hundes, das Mähen des Rasens – das sind alles lästige Tätigkeiten. Wenn ich sie tue, erleide ich gleichsam einen Schaden. Wer will, dass ich sie trotzdem tue, muss mich dafür ent-schädigen. Er soll dafür zahlen. Mitleidig belächelt oder schief angesehen wird jener, der den Spaß an der Sache, die Freude am Tun oder aber das Sinnvolle des Beitrags betont. Dieser Mensch, der tut, was er tut, wird nicht selten als Naivling belächelt, in der Schule als Streber gehänselt und in der Berufswelt als Speichellecker gemobbt.
Wie ist dieser Zusammenhang zu erklären? Die Verhaltensbiologie nennt als die beiden Einflussgrößen einer Handlung |104| Trieb (Motivation, Selbststeuerung) und Reiz (Motivierung, Fremdsteuerung). Bei entsprechender Reizhöhe ist demnach nur noch ein geringer Eigenantrieb nötig, um eine Handlung auszulösen: Je höher die Reizstärke, desto geringer die benötigte Triebstärke. Da aber die Reize bekanntermaßen schnell abflachen, müssen sie immer höher geschraubt werden. Entsprechend sinkt der Eigenantrieb. Der Mensch gewöhnt sich schnell an ein immer höheres Reizniveau, entwickelt immer neue Ansprüche, bis er bald ohne zusätzlichen Reiz in der Tat eine geringere Leistungsbereitschaft zeigt. Man hat sich daran gewöhnt, verwöhnt zu werden.
Diese Mechanik kreiert die Verführungsforderung, mit der Kinder an ihre Eltern, Schüler an ihre Lehrer, Mitarbeiter an ihre Chefs, Bürger an die Politiker herantreten, und die schon so zur Gewohnheit geworden ist, dass sie offensichtlich niemandem mehr auffällt. Aus der Belohnung wird Anspruch, aus Anspruch wird Recht. Und schon bald fühlt sich jedermann berechtigt, den Staat, den Nachbarn, den Arbeitgeber, den Ehepartner verdeckt oder offen auszubeuten, da ihn ja alle scheinbar zwingen, ein Leben zu leben, das er eigentlich nicht will. Oder das mindestens schöner, spannender, gerechter sein könnte. Wenn dann aber wieder der Erwartung entsprochen wird, erzeugt man genau das, was man vermeiden wollte: Unzufriedenheit. Immer höhere Ansprüche. Immer weniger Eigeninitiative. Warten auf Belohnung statt Selbstverantwortung.
Damit nicht genug: Wenn bei
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