Die Entscheidung liegt bei dir!
lässt vor den Augen der gespannten Studenten einen Regenwurm in ein Glas mit reinem Alkohol fallen. Sekundenschnell löst sich der Wurm in nichts auf. An seine Studenten gewandt, fragt der Professor: »Nun, meine Damen und Herren, was lernen wir daraus?« Schweigen. Dann, aus der hintersten Reihe, die Antwort: »Trink Alkohol und du kriegst keine Würmer!«
Die Brillen, durch die wir die Welt sehen, sitzen zwar fest auf der Nase, können aber trotzdem abgenommen und ausgewechselt werden. Solche Prozesse ähneln dem Betrachten von Vexierbildern und Kippfiguren. Sie verlangen die Bereitschaft, die Perspektive zu wechseln. Die scheinbar automatische Wahrnehmung wird vom Bewusstsein gesteuert. Als geistigen Baumeister der Welt hat der Psychologe William James schon vor mehr als hundert Jahren das Bewusstsein beschrieben: »Mein Erleben ist das, worauf ich mich entschieden habe, meine Aufmerksamkeit zu richten.«
Es ist also eine Frage des Blickwinkels: Für den einen ist das Glas halb voll, für den anderen halb leer. Der eine sieht die wunderbare Aussicht, der andere das schmutzige Fenster. |160| Der eine begrüßt den Regen, weil er für die Ernte gut ist, der andere ärgert sich, weil seine Gartenparty ins Wasser fällt. Offensichtlich sind es nicht die sogenannten »Tatsachen«, die unsere Welt regieren, sondern unsere innere Reaktion auf sie. Es ist nicht der äußere Rahmen, sondern die Art des inneren Erlebens, die Einstellung, die die Erfahrung bestimmt. Uns bleibt immer ein Spielraum in der Interpretation des Vorgefundenen. Da gibt es immer Alternativen.
Selbst in Situationen, die von den meisten Menschen als hoffnungslos, lähmend und entmutigend bezeichnet würden, gibt es immer wieder Personen, die Handlungsmöglichkeiten sehen, während andere diese nicht wahrnehmen. In absolut identischen Lebenssituationen finden einige Menschen Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten, während andere Zwang und Notwendigkeit erleben. Der eine sieht sich unentrinnbar verstrickt in eine unglückliche Ehe, eine kräftezehrende Karriere, in die Verpflichtungen gegenüber Kindern, Verwandten, Freunden, Vereinskollegen; gebunden an seine Lebensweise und den Wohnort, unfähig zur Veränderung. Ein anderer macht es unter denselben Umständen möglich, als Richter eines Oberlandesgerichts zurückzutreten, trennt sich von seiner Frau nach 24 Jahren Ehe, geht nach Italien, lebt dort mit einer Theaterschauspielerin und beginnt zu malen.
Wenn wir einen Augenblick unser moralisches Urteil zurückstellen, dann müssen wir zugeben, dass wir normalerweise denjenigen mit dem größeren Spielraum beneiden. Aber wir wollen unseren Neid nicht zugeben, sondern drehen den Vorwurf in der Regel nach außen und werten den anderen ab. Wir sagen nicht: »Ich bin neidisch!« oder »Ich habe dazu keinen Mut!«, sondern: »Wie kann man nur nach 24 Jahren seine Frau verlassen?« Wir kostümieren unseren Neid mit moralischer Selbsterhöhung und lassen uns erschöpft wieder fallen |161| auf das Ruhekissen der eigenen Trägheit. Diese Trägheit, die mit dem Wohlstand Einzug gehalten hat, mit dem Gefühl, für nichts kämpfen zu müssen. Ein Elend – wie Peter Lau schreibt –, »das heute alles beherrscht und das dazu führt, dass wir uns lieber zu Tode fürchten, als unser Leben zu ändern.«
In den Unternehmen habe ich immer wieder Menschen kennen gelernt, die Fähigkeiten entwickelten, die andere ihnen niemals zugetraut hätten. Manche sind in der Lage, scheinbar eintönige und unwichtige Tätigkeiten noch in vollen Zügen zu genießen. Was ist ihr Geheimnis? Aus den äußeren Umständen kann ihre Energie nicht kommen. Das Lebensgefühl dieser Menschen scheint von den Rahmenbedingungen weitgehend unabhängig zu sein. Es ist offensichtlich in weit höherem Maße die innere Einstellung, die ihr Leben sinnvoll, freudvoll und erfüllt macht. Ihre Energie kommt
von innen
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Die Psychologie beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit den Fragen »Was ist Glück?« und »Wer ist glücklich?«. Viele Menschen warten darauf, dass etwas »passiert«, das sie glücklich macht. Sie hoffen auf den Lottogewinn oder den Märchenprinzen. Dabei führt »unverdientes Glück« wie ein Lottogewinn nur kurzzeitig zu Hochgefühlen. Langfristig scheint es sogar eher unglücklich zu machen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Lottogewinner, fragt man sie nach ihrem subjektiven Glücksgefühl, nach einem Jahr unglücklicher als vor dem Ereignis einschätzen. Ein
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