Die Entscheidung
streichen und griff dabei ins Leere.
„Oh“, sagte sie betrübt. „Das hätte ich ja fast vergessen.“
„Ach ja? Ich wünschte, das würde mir auch gelingen.“
Aus Darreks Stimme klang so viel Verbitterung und Schmerz, dass Laney unwillkürlich nach seiner Hand griff.
„Es ist nicht so schlimm“, versicherte sie ihm. „Ich … eigentlich wollte ich immer schon eine Kurzhaarfrisur haben.“
„Eine Kurzhaarfrisur?“, fragte Darrek ungläubig. „Laney. Du siehst aus, wie eine Schildkröte.“
Laney schnaubte amüsiert.
„Dann aber Prinzessin Schildkröte, wenn ich bitten darf. Auf Spanisch würde das sogar ganz elegant klingen: Princesa Tortuga.“
Darrek schüttelte darüber nur den Kopf. Verstand Laney denn tatsächlich nicht, dass sie ihre Haare nicht einfach so wieder zurückbekommen würde? Es würde Jahre dauern, bis sie nachgewachsen waren. Und bis dahin …
„Was ist mit George?“, fragte Laney und riss ihn damit aus seinen düsteren Gedanken.
Darrek sah missmutig auf.
„Dem geht es gut“, antwortete er. „Wir haben ihn schlafend in ein Flugzeug gesetzt. Er sollte inzwischen zu Hause eingetroffen sein.“
Erleichtert lächelte Laney.
„Das ist gut. Und wo sind wir hier? Ich sehe elektrisches Licht. Das heißt wohl, dass wir das Dorf verlassen haben.“
Darrek war erstaunt über Laneys schnelle Auffassungsgabe. Er hatte eigentlich vorgehabt, sie in dem Glauben zu lassen, immer noch bei den Outlaws zu sein. Aber das würde so nicht funktionieren.
„Ich war wütend“, gab Darrek zu. „Ich habe dich gesehen und war wütend.“
„Hast du nicht behauptet, ich hätte jede Strafe verdient, die sie mir aufbrummen würden?“
„Ja. Aber nicht das. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet.“
Laney war gerührt. Sie lehnte sich vor und berührte seine Hand.
„Das weiß ich wirklich zu schätzen, Darrek“, sagte sie dankbar. „Aber wir müssen wieder zurück. Das weißt du doch. Die Dorfbewohner. Einar, Swana, Johanna und vor allem Mady. Sie alle sind von dir abhängig.“
Darrek schüttelte den Kopf.
„Sie hätten dir das nicht antun dürfen“, stellte er klar. „Weißt du überhaupt, wie du aussiehst, Laney?“
„Ich …“
„Also nicht.“
„Es kam nicht dazu“, sagte Laney ausweichend. „Nachdem Iolani meine Haare abgeschnitten hatte, wurde ich sofort zu Anisia gebracht. Dort hat sie mich dann in den Schlaf gesungen. Ich hatte einfach noch keine Gelegenheit.“
Darrek nickte.
„In Ordnung. Dann geh jetzt zum Spiegel und sieh es dir an, Prinzessin. Ich will nicht, dass du die Dorfbewohner in Schutz nimmst, ohne dir des gesamten Ausmaßes bewusst zu sein.“
Laney schluckte und nickte dann. Sie erhob sich schwankend und ging in Richtung Bad.
„Soll ich mitkommen?“, fragte Darrek und sah ihr besorgt hinterher. Vielleicht war er doch etwas zu grob mit ihr.
„Nein“, erwiderte Laney sofort. „Ich … Das muss ich alleine machen.“
Sie stolperte ins angrenzende Badezimmer und hielt sich dort am Beckenrand fest. Sie schloss die Augen und zählte bis zehn. Danach erst traute sie sich in den Spiegel zu sehen.
Der Anblick war weniger schlimm, als sie erwartet hatte. Das Gesicht, das sie im Spiegel sah, war immer noch ihr eigenes. Nur fehlte jetzt das schöne Haar, das es normalerweise umrandete wie ein Vorhang. Ihr Gesicht wirkte nackt. Schutzlos. Ungewohnt und erschreckend verletzlich. Sofort stiegen ihr Tränen in die Augen.
Während der Rasur hatte sie nicht geweint. Egal wie häufig Iolani den Rasierer ihren Kopf entlang gezogen hatte. Diese Blöße hatte sie sich nicht geben wollen. Aber jetzt konnte sie nicht mehr anders. Ihre Haare waren weg.
Es war ein überwältigendes Gefühl des Verlustes, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Sie hatte sich selbst nie für eitel gehalten. Aber sie hatte ja auch bereits lernen müssen, dass sie sehr viel oberflächlicher war, als sie gedacht hatte. Der Völlerei hatte sie sich an diesem Abend auch schon hingegeben. Also war Eitelkeit wohl einfach nur eine weitere Sünde auf ihrer Liste. Was kam dann als Nächstes? Neid, Faulheit oder Wollust?
Verzweifelt schluchzte Laney auf. Wütend über sich selbst. Es waren doch nur Haare, verdammt. Es waren nur Haare und sie würden wieder nachwachsen. Sie hatte dafür ein Menschenleben bewahren können. War das denn nicht viel wichtiger als ihre nicht mehr vorhandene Frisur? Laney drehte sich schwungvoll herum und stieß dabei mit Darrek zusammen, der genau hinter ihr
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