Die Entscheidung
Reißzähne besaß, war sie absolut ungefährlich für den Menschen. Sie lag in seiner linken Armbeuge und gurrte zufrieden, während Swana Georges rechte Hand ergriffen hatte. Schnell eilte Laney an dem Zimmer vorbei, weil sie den Frieden zwischen ihnen nicht stören wollte. Der Mensch schien Swana wirklich am Herzen zu liegen und das Baby war ebenfalls völlig vernarrt in George. Laney hätte wirklich zu gern gewusst, was zwischen ihnen vorgefallen war, aber zuerst musste sie sich um Darrek kümmern.
Flink schlüpfte sie durch die Tür und riss die Fenster weit auf, obwohl es draußen immer noch regnete. Darrek entspannte sich sichtlich auf seinem Bett und hörte auf, das Laken unter sich zu malträtieren.
„Danke“, sagte er. „Noch ein paar Minuten länger und ich wäre da drüben mal dazwischen gegangen.“
„Nicht nötig. Die beiden scheinen ganz gut allein klarzukommen. Ein süßes Paar.“
„Fuchs und Hase sind ein schönes Paar. Aber nur, solange der Fuchs satt ist.“
Laney warf Darrek lächelnd die Blutkonserve zu.
„Na, dann wollen wir doch mal sicherstellen, dass dieser Fuchs etwas zu essen kriegt.“
Darrek biss in die Konserve und verzog den Mund.
„Kunstblut?“
„Was Besseres war gerade nicht zur Hand.“
„Nein. Das gute Zeug ist ja offensichtlich gerade den Abfluss runtergespült worden.“
„Du kannst gerne draußen in die Klärgrube springen und sehen, ob du noch etwas wieder herausfiltern kannst. Ich bin ohnehin fasziniert, dass die Outlaws überhaupt warmes Wasser haben. Ich dachte, sie wären völlig von der Zivilisation abgeschnitten.“
„Nicht völlig“, erwiderte Darrek, während er schlecht gelaunt von der Blutkonserve trank. „Sie haben ein eigenes Abwassersystem und nutzen die Hitze des Vulkans. Es gibt auch heiße Quellen im Tal.“
Laney nickte und lehnte sich an die Fensterbank. Der Regen war inzwischen in Schnee übergegangen und die kalte Luft wehte einige Schneeflocken nach drinnen. Laney hatte schon befürchtet, dass sie sich in diesem Dorf nicht sonderlich wohl fühlen würde. Aber sie hatte gehofft, dass die Outlaws ihre unzivilisierte Seite etwas weniger auffällig zeigen würden.
Nicht, dass die Anhänger der Ältesten die menschliche Rasse sonderlich nett behandeln würden. Die Fabriken, in denen Menschen in regelmäßigen Abständen Blut abgezapft wurde und wo sie systematisch auf ihr Leben als Diener vorbereitet wurden, existierten noch immer. Zwar nicht mehr in demselben Ausmaß wie vor den Aufständen, aber die Warmblüter weigerten sich strikt, ganz auf Menschenblut zu verzichten. Doch diese Dinge geschahen im Verborgenen und Laney hatte nie einen der menschlichen Blutspender zu sehen bekommen.
„Ich werde mit Johanna reden müssen“, sagte Laney nachdenklich.
„Ach ja? Weswegen?“
„Wegen des Menschen natürlich. Es ist nicht richtig, wie sie ihn hier gefangen halten.“
Darrek zog missbilligend die Augenbrauen zusammen.
„Das wirst du schön bleiben lassen, Laney. Das geht dich überhaupt nichts an. Du würdest den Menschen doch auch nicht vorhalten, dass sie ihre Tiere in Massenbetrieben züchten und auf engstem Raum zusammenpferchen, oder?“
„Das ist etwas anderes.“
„Warum?“
„Weil … weil Tiere immer noch Tiere sind. Menschen hingegen sind emotionale Lebewesen. Sie können lieben und hassen, glücklich und traurig sein. Das lässt sich doch gar nicht mit einem Tier vergleichen.“
„Laney. Hattest du jemals einen Hund? Denn glaub mir. Hunde sind zu genau denselben Gefühlsregungen imstande. Und alle anderen Tiere ebenso. Sie können sich nur nicht auf dieselbe Art und Weise ausdrücken, weil sie nicht unsere Sprache sprechen.“
„Ego cogito, ergo sum.“
„Bitte was?“
„Hattest du bei deiner Mutter kein Latein, Ältestensohn?“
„Doch, aber ich habe es gehasst. Also würdest du mir diesen Satz freundlicherweise übersetzen, Prinzessin?“
„Es bedeutet: Ich denke, also bin ich.“
„Und das hat was mit unserer Diskussion zu tun?“
„Es weist darauf hin, dass der Mensch sich seiner eigenen Existenz bewusst ist. Im Gegensatz zum Tier ist er dazu imstande, darüber nachzudenken und sein Handeln und Sein bewusst zu reflektieren. Philosophie, Kunst, Religion, Technik. Nichts von alledem ist jemals von Tieren erschaffen worden. Über die Intelligenz des Menschen lässt sich streiten, aber es ist eine Tatsache, dass sie sich immer weiter verbreiten, während unsere Rasse nach und nach
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