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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Siebern
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ertragen, als zuzusehen, wie sie jemandem zugefügt wurden, den sie mochte. Doch es wäre ihr feige vorgekommen, der Bestrafung fernzubleiben.
    „Du warst sehr tapfer“, versicherte ihr Anisia.
    „Danke“, gab Laney zurück.
    Es wunderte sie wirklich, dass die ruhige, leicht verwirrte Anisia eine Tochter wie Iolani zur Welt gebracht haben sollte. Aber andererseits wurde der Charakter ja auch zu einem Großteil durch die Personen geprägt, mit denen man aufwuchs. Und da Anisia lange Zeit in der Menschenwelt studiert hatte, war Iolani sicherlich nicht bei ihr aufgewachsen. Eigentlich hatte Laney die beiden noch nicht einmal miteinander reden sehen.
    „Was hat Iolani eigentlich gegen mich?“, fragte Laney. „Ich hatte wirklich das Gefühl, sie wollte mir am liebsten die Haut abziehen lassen.“
    Anisia zuckte die Schultern.
    „Du bist sehr hübsch. Und Iolani ist verwöhnt. Sie kann es nicht leiden, wenn eine Frau mehr Aufmerksamkeit erregt als sie selber.“
    Laney stand auf und streckte sich.
    „Wirst du bei Swanas Bestrafung zusehen?“, fragte Anisia. „Es wird sicherlich nicht leicht für die Kleine. Ich weiß, dass sie die Peitsche vorziehen würde.“
    Sofort wurde Laney hellhörig.
    „Wird Swana nicht ausgepeitscht?“
    „Oh nein. Für sie haben sie sich etwas Schlimmeres ausgedacht. Sie bekommt die Sonderstrafe, durch die sie jahrelang stigmatisiert sein wird.“
    Laney zuckte zusammen. Sonderstrafe? Das hörte sich ja gar nicht gut an.
    „Okay“, sagte sie schnell. „Danke für alles, Anisia. Ich muss dann los.“
    Laney schnappte sich ihre Jacke vom Haken und lief nach draußen. Schlimmer als auspeitschen? Was konnte das nur sein? Und warum hatte man es nicht bei ihr gemacht?
    Swana stand in der Mitte des Platzes und begann ihren Mantel auszuziehen, unter dem sie das gleiche Oberteil trug wie Laney zuvor. Laney war sehr tapfer gewesen und sie hatte vor, es genauso zu handhaben.
    „Lass deinen Mantel ruhig an“, sagte Iolani in diesem Moment. „Sonst wird dir während der Behandlung noch kalt.“
    Swana zuckte zusammen und wurde blass. Sie sollte ihren Rücken nicht freimachen? Das konnte nur eines bedeuten.
    „Du meinst …“
    „Ganz genau.“
    Iolani lächelte und wandte sich den Dorfbewohnern zu.
    „Swana wird die Sonderstrafe erhalten. Als Denkzettel, dass es nicht geduldet wird, unser Dorf zu verarschen.“
    Sie hatte so laut gesprochen, dass alle Dorfbewohner sie hören konnten, und sofort ging ein Raunen durch die Menge.
    „Ist das nicht ein bisschen hart?“, fragte Maelle, die wie immer von ihrer Kinderschar umgeben war.
    „Wir wurden alle betäubt und man hat uns das Vergnügen genommen, nach Vollmond frisches Blut zum Feiern zu haben“, widersprach Iolani energisch. „Der Rat hat beschlossen, dass die Sonderstrafe angemessen ist. Und Swana wird sich diesem Urteil beugen müssen.“
    Swana griff unbewusst nach ihrem langen Haar und zog leicht daran. Die Sonderstrafe? Das konnte doch nicht ihr ernst sein.
    „Halt“, rief Laney da plötzlich und trat vor, bevor sie es sich anders überlegen konnte. „Was … was, wenn ich Swanas Strafe übernehme?“
    Iolanis Augen blitzten gierig und sie lächelte.
    „Das wäre mir durchaus recht“, sagte sie auf Englisch.
    „Nein“, widersprach Swana.
    Ihr war klar, dass Laney nicht verstanden hatte, was die Sonderstrafe sein sollte. Ansonsten hätte sie sich gar nicht eingemischt.
    „Das ist nicht richtig. Du bist schon bestraft worden, Laney. Es wäre nicht gerecht, wenn man dich doppelt strafen würde.“
    „Aber, aber“, mischte Iolani sich ein. „Wenn sie doch so gerne will.“
    „Es ist schon in Ordnung, Swana“, versicherte Laney. „Ich halte das aus. Was auch immer es ist. Ich will nur nicht, dass du jahrelang darunter zu leiden hast, dass ich so stur war, was George angeht.“
    „Laney. Es ist keine körperliche Strafe. Es tut nicht weh. Es ist nur psychisch schwer zu ertragen. Sie werden mir …“
    „… gestatten dabei zuzusehen“, beschloss Iolani und schob Swana zur Seite.
    „Komm, Swana. Du wurdest soeben begnadigt“, sagte Haldor und zog Swana zur Seite.
    Offensichtlich war er froh, Swana diese Strafe ersparen zu können. Wenn Laney sich selbst dazu bereit erklärte, konnte Darrek schließlich nichts dazu sagen. Doch Swana wehrte sich. Sie wusste, dass Haldor nicht wollte, dass sie die Sonderstrafe erfuhr. Er mochte sie sehr und wollte nicht, dass sie verunstaltet wurde. Dennoch durfte sie nicht zulassen,

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