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Die Entstehung des Doktor Faustus

Die Entstehung des Doktor Faustus

Titel: Die Entstehung des Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Erscheinung, einen Körper. Die Meinen wollten immer, daß ich ihn beschriebe, daß ich, wenn schon der Narrator nur ein gutes Herz und eine zitternd aufzeichnende Hand bleiben müsse, doch wenigstens seinen und meinen Helden sichtbar machen, physisch individualisieren, anschaulich wandeln lassen sollte. Wie leicht wäre das gewesen! Und wie geheimnisvoll unzulässig, in einem noch nie erfahrenen Sinn unmöglich war es doch wieder! Unmöglich auf andere Art, als es die Selbstbeschreibung Zeitbloms gewesen wäre. Ein Verbot war hier einzuhalten – oder doch dem Gebot größter Zurückhaltung zu gehorchen bei einer äuße {474} ren Verlebendigung, die sofort den seelischen Fall und seine Symbolwürde, seine Repräsentanz mit Herabsetzung, Banalisierung bedrohte. Es war nicht anders: Romanfiguren im pittoresken Sinn durften nur die dem Zentrum ferneren Erscheinungen des Buches, alle diese Schildknapp, Schwerdtfeger, Roddes, Schlaginhaufens etc. etc. sein –
nicht
seine beiden Protagonisten, die zu viel zu verbergen haben, nämlich das Geheimnis ihrer Identität. – –
    Die Sommerwochen, in denen ich an den der Übersiedelung Adrians nach München vorangehenden Kapiteln schrieb, brachten uns einen mir wichtigen Besuch: Ernst Křenek war bei uns mit seiner Frau, und ich konnte ihm danken für
Music Here and Now
, konnte auch, auf einem Spaziergang zu zweien unter den ägyptischen Palmensäulen der Ocean Avenue, und nachher bei uns, viel Lehrreiches über die Schicksale der Musik in den letzten vierzig Jahren, ihren gegenwärtigen Stand, das Verhältnis des Publikums und der unterschiedlichen Solisten- und Dirigententypen zu ihren neuen Formen von ihm erfahren. Bücher wie
Music, a Science and Art
von Redfield,
The Musical Scene
von Virgil Thomson,
The Book of Modern Composers
von Ewen und besonders Ernest Newman’s
The Unconscious Beethoven
ergänzten solche persönlichen Eindrücke. Sehr aufmerksam las ich ein Buch, das nicht unmittelbar zur Sache sprach, aber durch seine klugen Analysen mir vieles die Situation des Romans und meine eigene Stellung in seiner Geschichte Betreffende ins Bewußtsein rief:
James Joyce
von Harry Levin. Da der direkte Zugang zu dem Sprachwerk des Iren mir verschlossen ist, bin ich zur Erkundung des Phänomens auf kritische Vermittlung angewiesen, und Schriften wie die von Levin und Campbells großer Kommentar zu
Finnigan’s Wake
haben mir manche unvermutete Beziehung und – bei so großer Verschiedenheit der literarischen Naturen – sogar Verwandtschaft klar {475} gemacht. Mein Vorurteil war, daß neben Joyces exzentrischem Avantgardismus mein Werk wie flauer Traditionalismus wirken müsse. Daran ist wahr, daß traditionelle Gebundenheit, sei sie selbst schon parodistisch gefärbt, leichtere Zugänglichkeit bewirkt, die Möglichkeit einer gewissen Popularität in sich trägt. Doch ist sie mehr eine Sache der Haltung als des Wesens. »As his subject-matter reveals the decomposition of the middle class«, schreibt Levin, »Joyce’s technique passes beyond the limits of realistic fiction. Neither the
Portrait of the Artist
nor
Finnigan’s Wake
is a novel, strictly speaking, and
Ulys
ses is
a novel to end all novels
.« Das trifft wohl auf den
Zauberberg,
den
Joseph
und
Doktor Faustus
nicht weniger zu, und T. S. Eliots Frage »whether the novel had not outlived its function since Flaubert and James, and whether
Ulysses
should not be considered an epic« korrespondiert genau mit meiner eigenen Frage, ob es nicht aussähe, als käme auf dem Gebiet des Romans heute nur noch das in Betracht, was kein Roman mehr sei. Es sind Sätze in dem Buch von Levin, die mich sonderbar tief berührten. »The best writing of our contemporaries is not an act of creation, but an act of evocation, peculiarly saturated with reminiscences.« Und dieser andere: »He has enormously increased the difficulties of being a novellist.« –
    »Mühe mit dem Kapitel. Es ist Vorgesehenes zurückzuhalten, das hier beschwerend und zu stofflich wirken würde. Idee, den Teufel in dreifacher Maske erscheinen zu lassen, immer gehüllt in Eiseskälte … Das Letzte umgeschrieben. ›Meilleur.‹ Noch einmal an XXI. Notizen für das Teufelsgespräch. Geschrieben an XXII (Zwölf Ton-Technik). Die Integrierung des Studierten und Angeeigneten in Atmosphäre und Zusammenhang des Buches reizvoll empfunden …« Es ging vorwärts, im Glauben fest oder nicht. Gegen Ende August – Paris war eingenommen, die deutsche Garnison

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