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Die Entstehung des Doktor Faustus

Die Entstehung des Doktor Faustus

Titel: Die Entstehung des Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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uns allen als einzige wußte, was sie wollte, und das Notwendige einleitete. Rosenthal war im Grunde, meines Alters wegen, gegen die Operation, ja auch, um der Schonung willen, gegen die Bronchoskopie, von der der amerikanische Doktor gleichmütig gemeint hatte, in acht Tagen werde ich mich davon erholt haben. Sein behandelnder Kollege war aus lauter Menschlichkeit nicht ungeneigt, es auf die Resorption des Abszesses durch einen im Ganzen ja gutwilligen Organismus, ohne Eingriff, ankommen zu lassen, und für diesen Weg schien der Erfolg einer Penicillin-Injektionskur zu sprechen, die von einer nun eingestellten Pflegerin achtmal in vierundzwanzig Stunden durchgeführt wurde. Die Droge beseitigte das Fieber vollkommen, und ich habe während der ganzen Affäre nie wieder welches gehabt. Dennoch wußten wir alle, daß mit der Methode des Zuwartens das nicht geringe Risiko größter Ungelegenheiten verbunden blieb, und während der Doktor zögerte und ich selbst es am bequemsten fand, über mich bestimmen zu lassen, hatte meine Frau ihre Entschlüsse gefaßt. Sie hatte sich mit unserer Tochter Borgese in Chicago, diese sich mit der Universitätsklinik, »Billings Hospital«, in Verbin {531} dung gesetzt, an der einer der ersten Chirurgen Amerikas, Dr. Adams, wirkt, als Pneumotom von besonderem Ansehen. Rasch war dort alles geordnet, hier für Eisenbahn-Reservation und Ambulanz-Transport zum Bahnhof gesorgt, und ehe ich mich’s versah, fand ich mich vorm Hause, unter den bekümmerten Blicken unseres japanischen »couples«, Vattaru und Koto, auf der Bahre ausgestreckt, die in den weich und schnell gehenden Krankenwagen geschoben wurde.
    Unter so neuartigen Umständen ging es nach Union-Station und, mit dem Vorrecht direkten Zuganges zum Zuge, vor unseren »bed-room«, auf dessen Lager ich im Schlafrock, mit meiner Frau als recht unbequem untergebrachter Beisitzerin, die nächsten sechsunddreißig Stunden verbrachte. Elisabeth erwartete uns in Chicago, und wieder stand dort eine Ambulanz bereit, deren Rollbahre mich bald, von Lifts gehoben, durch die weitläufigen Korridore von »Billings Hospital« und in das bereitgestellte, von dem guten Kind schon mit Blumen geschmückte Zimmer führte. Wie lebhaft steht mir, der ich nie die Lebensordnung eines großen Krankenhauses erfahren, mit Chirurgie nie zu tun gehabt hatte, diese ganze Ankunft und Installierung vor Augen: die Bekanntschaft mit den durch die nicht bis zum Boden reichende Pendeltür hin und her schwebenden, messenden, injizierenden und alle Augenblicke kalmierende Tabletten verabfolgenden Pflegerinnen; die fast sofort erfolgende Begrüßungsvisite der behandelnden Ärzte in corpore, an der Spitze der Operateur Dr. Adams selbst, ein Mann von schlichter Liebenswürdigkeit und Herzensgüte, ohne eine Spur der Tyrannenallüren des Anstaltsgewaltigen deutschen Stils, vor dem Assistenten und Schwestern zittern; sodann sein »Medical Advisor«, der Internist und Universitätsordinarius, Professor Bloch, hochgewachsen, brünett, aus Fürth bei Nürnberg gebürtig, wie er mir bald auf deutsch {532} vertraute; ein Dr. Philipps dazu, Lungenspezialist, scherz- und plauderhaft von Natur, ein erst vierundzwanzigjähriger Dr. Carlson, nordischer Herkunft und bildhübsch, »Intern« dieses großen Hauses schon seiner ausgezeichneten Intelligenz und manuellen Geschicklichkeit wegen, – und weitere weißbekittelte Entourage. Es waren angenehme persönliche Eindrücke für den Anfang. Die erste Allgemeinuntersuchung nachher nahm Professor Bloch, mit Autorität eintretend, dem Assistenten aus der Hand, der schon damit begonnen hatte. Sein Verhör über die Vorgeschichte der Krankheit war freundschaftlich und genau. Sie wurde übrigens in stundenlanger Arbeit, nach dem Diktat meiner Frau, von jüngeren Herren zu Protokoll gebracht. Formell war der Entschluß zum operativen Eingriff noch nicht gefaßt, sondern abhängig vom Ergebnis der Bronchoskopie, das aber so ziemlich feststand.
    Die Prozedur bildete eines der markanten Vorkommnisse der nächsten zehn Tage, die mich mit meinem ingeniös konstruierten, am Kopf- und Fußende in beliebige Höhe zu kurbelnden Hospitalbett und überhaupt mit der Lebensform des Patienten vertraut machten, mit dem Anstaltstage, der früh begann und früh endete. Auf einem »stretcher« ausgestreckt und in den Elevator geschoben, gelangte ich in untere Räumlichkeiten, wo eine größere Anzahl entweder direkt an dem Erkundungsakt beteiligter oder des

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