Die Entstehung des Doktor Faustus
Zuschauens wegen gekommener Hausverwandten, darunter Freund Bloch, versammelt war. Die Schonung, mit der man vorging, war überraschend, höchst dankenswert und in ihren Mitteln zauberhaft. Eine anästhetisierende Pinselung des Rachens machte den Anfang. Dann, während mein Kopf im Schoß eines Assistenten lag (der ihn später wohl rasch emporzuheben hatte), bekam ich von einer weißbeschürzten Frauensperson energisch-tätigen Typs eine Injektion in die linke Armbeuge, nebst dem Bedeu {533} ten, daß ich nun sehr bald schläfrig werden würde. Schläfrig? Ich hatte nach dem Empfange kaum noch zwei Worte gesprochen, als mein Bewußtsein so sanft wie restlos entschwand und ich – wohl nur für kurze Frist, fünf oder sechs Minuten – tief ungewahr jedes Dinges war, das mit mir geschah. Was geschah, muß wachen Geistes recht peinlich hinzunehmen sein – der kalifornische Consiliarius hatte ja gesagt, daß ich mich binnen einer Woche ganz gut davon erholt haben würde. Hier war Erholung nicht not, denn es gab keine Strapaze. Ich erwachte, schon wieder in meinem Zimmer, davon, daß der gute Dr. Adams, der mich hinaufbegleitet, mir mildtätig die Nase schneuzte. Denn die Einführung des mit einem elektrischen Lämpchen versehenen Apparats durch die Luftröhre in die Lunge (wobei eine Art von periskopischer Vorrichtung erlaubt, sich genau über die Verhältnisse dort unten aufzuklären) bewirkt natürlich eine schleimige, leicht blutige, Reizung des ganzen Atmungstraktes, und man braucht nach der Rückkehr in sein Bett einige Papierservietten, was aber auch von Unannehmlichkeit alles ist. Ich war entzückt und sprach tagelang zur Erheiterung namentlich der jungen Mediziner, mit Bewunderung, Preis und Dank von der magischen Spritze.
Das noch nicht lange gebräuchliche Mittel heißt, wenn ich nicht irre, Pentathol, aber nie erfuhr ich an Ort und Stelle den Namen. Es gehört zu den wunderlichen Gesetzen und Schweigegeboten dieser Stätten, daß man nie erfährt, worin die Anwendungen bestehen, die einem geboten werden, und sehr bald lernt man, neugierige Erkundigungen danach als taktlos zu empfinden. Die Schwestern verweigern jede Auskunft über das Ergebnis der Temperaturmessungen. Nie würden sie verraten, woraus die weißen Plätzchen bestehen, die sie alle paar Stunden mit einem Glase Wasser servieren, noch würde ein Arzt Namen und Natur eines verordneten Medikamentes ver {534} raten. Ich erinnere mich, wie ich mir während der Rekonvaleszenz mit gebackenem Fisch ein wenig den Magen verdorben hatte und noch spät abends den gerade diensthabenden »Intern« hereinbitten ließ, um ihm meine Beschwerden zu klagen. Am besten, sagte ich, helfe mir in solchem Fall immer ein halber Teelöffel Natron bicarbonicum. Er überhörte das. Er erkundigte sich noch längere Zeit nach den Verstimmungssymptomen und ihrer möglichen Ursache. Schließlich sagte er: »Well, don’t worry, we will give you a little something which will be helpful.« Die Schwester brachte das »little something« in einer Tasse. Es war Natron.
Die Operation war nun endgültig beschlossene Sache, und die nächsten fünf, sechs Tage galten, in Abwesenheit des Dr. Adams, der zu irgendeinem Ärztetreffen gereist war, den erdenklichen Vorbereitungen und Sicherstellungen. Blutentnahmen, Ausflüge im Rollstuhl oder auf dem »stretcher« ins x-ray-Laboratorium, Besuche der verschiedenen Spezialisten des Hauses folgten einander. Besonders der für das Herz, ein Engländer, wenn ich mich recht erinnere, war hochbefriedigt. Mit dem Herzen, erklärte er, sei ich jeder Operation gewachsen. Eine sehr wichtige Persönlichkeit sprach vor: Dr. Livingstone, Gattin meines Operateurs und Vorsteherin aller Anästhesie, zauberische Mischerin tiefschlafbringender Fluiden. Sie mußte mir versprechen, die bewunderte Armspritze bei der Hauptoperation wieder ihren Segen wirken zu lassen. – Die Herstellung des Pneumothorax, will sagen des Einlassens von Stickstoff in die Brusthöhle zur Stillegung des erkrankten Lungenflügels, kam auch an die Reihe, und es war doch merkwürdig, eine Applikation, die ich in vergangenen Arbeitstagen, zur Zeit des
Zauberbergs,
soviel im Munde geführt, am eigenen Leib zu erfahren. Professor Bloch nahm sie mit größter Akkuratesse und Geschicklichkeit vor, und der kleine Carlson sah lernbe {535} gierig zu. Das Ganze war kaum eine Unannehmlichkeit zu nennen, aber Bloch lobte mich sehr für mein kooperatives Verhalten, und als ich mich darüber
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