Die Epidemie - Teil 1
drehte den Schlüssel zwei Mal um. Das Geschrei war nun etwas leiser, was mich etwas erleichterte und beruhigte. Doch ich wusste, dass sich hinter der Tür etwas Furchtbares abspielte.
Ich ging erneut zum Fenster, um die Entwicklung auf den Straßen zu verfolgen. Es war nun weitaus weniger Verkehr und auch die Militärfahrzeuge standen überwiegend still.
Vor dem Eingangsbereich des Gebäudes, in dem ich mich aufhielt, erkannte ich eine rote Fläche. Es handelte sich offenbar eine riesige Blutlache. Die Menschen, die versuchten zu fliehen, wurden von den Soldaten gnadenlos massakriert. Ein Leichenberg verdeckte die einst sehr einladende, große Treppe, die zur Eingangstür führte. Blut sickerte die Treppe hinunter und aus der Lache wurde allmählich ein riesiger See.
Das gerade Erlebte bedrückte mich. Ich knöpfte mein Jackett langsam auf und zog es aus. So hatte ich wenigstens das Gefühl, etwas besser atmen zu können. Mein weißes Hemd war vollkommen durchnässt. Auf der Brust sah ich dicke Bluttropfen, die ich mit meiner rechten Hand bereits verschmiert hatte. Eine Wunde konnte es nicht sein, denn ich war nicht verletzt. Auch mein Gesicht war nass geschwitzt und zusammen mit Blut bildete es einen ekelerregenden Film auf meiner Haut.
Meine Nase blutete.
Ich zitterte am ganzen Körper. Die Schreie der Menschen hinter der Tür ließen mich immer noch erschauern, obwohl sie langsam verstummten.
Auch ich wurde jetzt panisch. Ich rannte im Büro umher. Meine Sinne begannen vor Angst zu schwinden. Rückblickend ist mir meine Reaktion sehr peinlich, denn schließlich sollte ich als Mann tapfer und stark sein. Aber der Gedanke, dass ich nicht der Einzige war, der in dieser Situation so reagierte, tröstet mich ein wenig.
Ich spürte nichts mehr und rannte das umher stehende Mobiliar einfach um. Es kümmerte mich nicht, ob dabei etwas zu Bruch ging.
Ich wusste weder ein noch aus und fühlte mich gefangen wie ein Tier im Käfig.
Hinter der Tür lauerte der Tod, es sei denn man hatte Glück oder war mutig genug, sich zum Ausgang im Erdgeschoss durchzuschlagen. Aber auch dann hatte man kaum eine Chance. Schaffte man es bis draußen, so wurde man wahrscheinlich von Soldaten erschossen.
Die Minuten verstrichen und das Chaos auf dem Gang fand langsam ein Ende. Diejenigen, die sich noch retten konnten, taten es auch. Sicherlich war ich der Einzige, der im Büro geblieben war.
Ich riskierte einen erneuten Blick durch das Fenster. Die Militärfahrzeuge standen weiterhin verstreut auf den Straßen herum. Anscheinend hatten die Soldaten es sehr eilig, denn es blieb keine Zeit, die Türen zu schließen. Was mir aber mehr Angst bereitete, war die Tatsache, dass sie nicht zu ihren Fahrzeugen zurückkehrten.
Sie ließen sogar die Motoren von einigen Fahrzeugen laufen. Das laute Brummen der Motoren konnte ich sogar im zwölften Stockwerk noch wahrnehmen.
In der direkten Nähe des Gebäudes, in dem ich mich befand, standen zwei Panzer. Einer begrub einen Kleinwagen unter sich. Der Fahrer hatte es wohl nicht mehr rechtzeitig geschafft, dem stählernen Koloss auszuweichen.
Nun wollte ich es doch endlich wagen, das Gebäude zu verlassen. Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und horchte an der Tür. Um die Geräusche auf der anderen Seite besser wahrnehmen zu können, hielt ich für einen Moment den Atem an. Doch es half nicht, denn mein Herz raste vor Aufregung und ließ mein Trommelfell vibrieren.
Wie es schien, war draußen wirklich keine Menschenseele. In einigen Büros standen die Fenster offen und nur ein leises Pfeifen des Windes durchbrach die Stille.
Mit der linken Hand umklammerte ich die Türklinke. Das kalte Metall kühlte meine schwitzenden Hände. Langsam und vorsichtig drückte ich den Griff nach unten, weiterhin mein Ohr an die Tür gelehnt.
Wie aus dem Nichts ertönte ein Stöhnen von der anderen Seite der Tür.
Mein Herz pochte noch stärker.
Ängstlich löste ich meine Hand vom Türgriff und ließ diesen langsam nach oben gleiten.
Schritte.
Jetzt war ich mir sicher, dass ich mich geirrt hatte! Außer mir befand sich noch jemand auf der Etage! Ich presste mein Ohr noch stärker an das Holz, schloss meine Augen und konzentrierte mich nur auf das Geräusch.
Die Schritte kamen immer näher, begleitet von einem gequälten Ächzen.
Ein Quietschen drang an mein rechtes Ohr. Doch diesmal lag es an mir. Das Zittern meiner Gliedmaßen verstärkte sich und erfasste meinen ganzen Körper, ohne dass ich es
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