Die Erben
verwirrten sie, und sie vermochte nicht die Bedeutung herauszudenken, die sie ihm innewohnen fühlte. Lok lachte. Fa schnickte mit der Hand nach ihm wie nach einer Fliege. »– Wasser aus einer Muschel heraus.« Sie sah voller Hoffnung auf die Alte. Sie seufzte und versuchte es noch einmal. »Liku ist im Wald –«
Lok deutete lachend auf Liku, die gegen den Fels gelehnt schlief. Diesmal schlug Fa nach ihm, als hätte sie ein Junges auf dem Rücken gehabt.
»Es ist ein Bild! Liku kommt durch den Wald. Sie trägt die kleine Oa –«
Sie starrte angestrengt zu der Alten hinüber. Dann sah Lok, wie die Spannung aus ihrem Gesicht wich und wußte, daß sie sich in das gleiche Bild teilten. Auch zu ihm kam es, ein sinnloses Durcheinander mit Liku und Muscheln darin und Wasser und Höhle. Er begann zu sprechen. »Wo die Berge sind, gibt es keine Muscheln. Nur die von den Schnecken. Die benutzen sie als Höhlen.« Die Alte neigte sich zu Fa hinüber. Dann ging ihr Oberkörper wieder zurück; sie nahm beide Hände vom Boden, ihr Gewicht ruhte nur noch auf den knochigen Hinterbacken. Langsam und bedächtig wandelte sich ihr Gesicht zu dem Gesicht, das sie immer plötzlich machte, wenn Liku den prunkenden Farben der Giftbeere zu nahe kam. Fa schreckte vor ihr zurück und hob die Hände an das Gesicht. Die Alte sprach. »Das ist etwas Neues.«
Sie stand auf, und Fa beugte den Kopf über den Magen und rührte mit einem Zweig darin herum. Die Alte legte Mal die Hand auf den Fuß und schüttelte ihn sanft. Mal schlug die Augen auf, rührte sich aber nicht. Ein kleiner Fleck dunkler, speichelgefärbter Erde war auf dem Boden neben seinem Mund. Das Sonnenlicht schrägte von der Nachtseite der Schlucht her in die Höhlennische und strahlte ihn hell an, daß sein Schatten bis an das andere Ende des Feuers reichte. Die Alte kam seinem Kopf mit dem Mund ganz nahe. »Iß, Mal.«
Mal stützte sich mühsam auf einen Ellenbogen und keuchte. »Wasser!«
Lok lief zum Fluß hinunter und holte Wasser in seinen Händen, und Mal schlappte es auf. Dann kniete Fa neben ihm hin, daß er sich anlehnen konnte, während die Alte ein Stöckchen mehrere Male in die Brühe tauchte, als es auf der ganzen Welt Finger gab, und es darauf zu seinem Mund führte. Sein hechelnder Atem ließ ihm kaum Zeit zum Schlucken. Schließlich drehte er den Kopf hin und her und wies das Stöckchen zurück. Lok brachte ihm Wasser. Fa und die Alte legten ihn vorsichtig auf die Seite. Und dann war es, als entziehe er sich ihnen. Sie sahen, wie sehr nach innen gerichtet seine Gedanken waren und wie ausweglos. Die Alte trat zum Feuer und blickte auf ihn hinab. Sie sahen, daß ein wenig von seiner Zurückgezogenheit, seiner Einsamkeit sie berührte und über ihrem Gesicht hing wie ein Wolkenschleier. Fa stand auf und lief zum Fluß hinunter. Lok las ihre Lippen. »Nil?«
Er eilte ihr nach in das Abendlicht hinaus, und zusammen spähten sie die Klippe entlang über den Fluß. Weder Nil noch Ha waren zu sehen, und der Wald jenseits des Falls wurde schon dunkel. »Sie tragen zuviel Holz.« Fa gab einen zustimmenden Laut von sich. »Aber sie bringen großes Holz den Hang herauf. Ha sieht viele Bilder. Holz die Klippe herauftragen ist schlimm.«
Dann fühlten sie, daß die Alte nach ihnen ausschaute und daran dachte, daß sie die einzige war, die wußte, wie es um Mal stand. Sie kamen zurück, um auch an dem Schatten über ihrem Gesicht teilzuhaben. Das Kind Liku schlief gegen den Fels gelehnt, und ihr rundes Bäuchlein erglänzte im Feuerschein. Mal hatte nicht einen Finger gerührt, aber seine Augen standen noch offen. Endlich fiel das Sonnenlicht waagrecht in die Höhlennische. Ein klatschendes Geräusch kam von der Klippe am Fluß herauf, und dann hörten sie, wie jemand um das Felseck tappte. Nil eilte über die Terrasse auf sie zu, mit leeren Händen. Ihre Worte waren Schreie. »Wo ist Ha?«
Lok starrte sie verständnislos an. »Er holt Holz mit Nil und dem Jungen.« Nil fuhr auf. Mit einemmal zitterte sie, obwohl sie nur eine Armlänge vom Feuer entfernt stand. Dann begann sie auf die Alte einzureden. »Ha ist nicht bei Nil. Sieh!«
Sie lief auf der Terrasse hin und her, um darzustellen, daß sich nichts auf dem Fels verbarg. Sie kam zurück. Sie spähte in die Höhlennische hinein, ergriff ein Stück Fleisch und zerrte daran mit den Zähnen. Das Junge unter ihrem Haar erwachte und streckte den Kopf heraus. Nach einer kurzen Weile nahm sie das Fleisch vom Mund und sah
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