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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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Kopf heftig hin und her. »Nein! Nein! Die Neuen haben ihn mir zugeworfen.« Fa ging zwei Schritte auf dem Fels vor und zurück. Sie äugte schnell zur kalten Höhlennische hin, blickte dann auf die Insel. Sie packte ihn an den Schultern und rüttelte ihn.
    »Die Neuen sehen viele Bilder. Und ich sehe auch viele Bilder.«
    Lok lachte unsicher.
    »Der Mann für Bilder. Die Frau für Oa.« Ihre Finger griffen fester in sein Fleisch. Sie sah ihn an, als haßte sie ihn.
    Sie sprach in wildem, herrischen Ton. »Was soll das Junge machen ohne Nils Milch? Wer wird Liku Nahrung suchen?«
    Er kratzte sich im Haar unter seinem offenen Mund. Sie nahm die Hände von ihm und wartete einen Augenblick. Lok kratzte sich weiter, und eine schmerzende Leere war in seinem Kopf. Ihr Körper ruckte zweimal hin und her. »Lok hat keine Bilder im Kopf.«
    Sie erschien ihm plötzlich sehr hoheitsvoll und fern, und die große Oa war auf einmal gegenwärtig, nicht sichtbar, aber wie ein Licht, das sie umgab. Lok fühlte sich immer kleiner werden. Er hielt den Zweig unruhig mit beiden Händen umfaßt und blickte zur Seite. Jetzt da der Wald dunkel war, sah er das Feuerauge der neuen Gefährten herüberblinken. Fa sprach zu seinem abgewandten Kopf.
    »Tu was ich sage. Sag nicht ›Fa, tu dies‹. Ich werde sagen ›Lok, tu das‹. Ich habe viele Bilder im Kopf.« Lok kroch noch tiefer in sich hinein, warf ihr einen kurzen Blick zu, sah dann schnell auf das Feuer in der Ferne. »Wirf den Zweig weg!«
    Er holte mit dem rechten Arm aus und schleuderte den Zweig mit den Federn voran in die Luft. Die Federn zogen nach unten, der Schaft schwang herum, für einen Augenblick hing der Zweig im Sonnenlicht, dann senkte sich die Spitze, und er tauchte weich in die Schatten ein wie ein herabgleitender Falke, stürzte in die Tiefe und verschwand im Wasser.
    Fa entfuhr ein erstickter Laut, ein tränenloses Schluchzen; dann umschlang sie ihn mit den Armen, und ihr Kopf lag an seinem Hals, und sie lachte und weinte und zitterte, als habe sie etwas Schwieriges, aber Gutes vollbracht. Sie wurde wieder Fa-ohne-viel-Oa, und er legte die Arme tröstend um sie. Die Sonne hing ganz unten in der Schlucht, und der Fluß flammte auf, daß die Kante des Falls so hell brannte wie die Enden von Zweigen im Feuer. Dunkle Stämme kamen den Fluß herunter, schwarz abgehoben vom lodernden Wasser. Ganze Bäume waren dabei; ihre Wurzeln benahmen sich wie seltsame Wesen aus dem Meer. Einer glitt unter ihnen auf den Fall zu; Wurzeln und Äste hoben sich, verfingen sich, sanken. Einen Augenblick lang hing er auf dem Sims; das brennende Wasser machte einen großen Lichtsee über dem Wipfel, dann sauste der Baum durch die Luft und verschwand so sanft wie der Zweig mit den Federn. Lok sprach über Fas Schulter hinweg. »Die Alte war im Wasser.«
    Fa schob ihn von sich. »Komm.«
    Er folgte ihr um das Felseck herum in das waagrecht einfallende Licht der Terrasse, und im Gehen warfen ihre Körper zwei parallele Schattenstränge, so daß ein erhobener Arm ein langes Gewicht aus Dunkel hochzuziehen schien. Sie stiegen aus Gewohnheit zur Höhlennische hinan, doch sie war bar jeder Geborgenheit. Die Wandvertiefungen starrten sie gleich finsteren Augen an, und der Felspfeiler an der Rückwand leuchtete rötlich. Verkohlte Zweigreste und Asche wurden zu toter Erde. Fa hockte sich neben der Herdstelle zu Boden und blickte mit gerunzelten Brauen zur Insel hinüber. Lok wartete, während sie sich beide Hände auf den Kopf drückte, aber er vermochte ihr Bild nicht zu sehen. Er erinnerte sich des Fleisches in den Wandnischen. »Nahrung.«
    Fa schwieg; so tastete sich Lok, ein wenig scheu noch, als könnte er dem Auge der Alten begegnen, zu einer der Nischen. Er roch an dem Fleisch und nahm ein Stück, das für sie beide reichte. Als er sich umwandte, hörte er die Spitzohren bellen auf den Felsen über der Höhle. Fa griff nach dem Fleisch ohne hinzusehen und begann zu essen und sah unverwandt auf ihre Bilder. Mit dem ersten Bissen spürte Lok seinen Hunger. Er riß den Muskel in langen Streifen vom Knochen und steckte das Fleisch in den Mund. In Fleisch war viel Kraft. Fas Worte klangen undeutlich. »Wir werfen Steine nach den Gelben.« »?«
    »Der Zweig.«
    Sie aßen still weiter, während die Spitzohren heulten und bellten. Loks Ohren sagten, daß der Hunger sie quälte, und Loks Nase versicherte, daß sie allein waren. Er fingerte in dem Knochen nach Mark, dann hob er ein unverbranntes

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