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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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rennen. Er kam an den Hang, der zum Berg hinaufführte, und hielt inne: es roch nach den Neuen und nach Liku; und dann folgte er der Witterung zurück durch die Zeit zur Höhlennische. Er lief sehr schnell und drückte sich auf den Knöcheln ab, und wäre nicht der Zweig mit der beinernen Spitze in seiner linken Hand gewesen, hätte man glauben können, er laufe auf allen vieren. Er nahm den Zweig quer zwischen die Zähne, griff mit beiden Händen aus, und rannte halb laufend, halb kletternd, den Hang hinauf. Kurz vor dem Zugang zur Terrasse blickte er über die Felsen hinunter zur Insel. Einer der knochengesichtigen Männer trat drüben von der Brust aufwärts aus dem Gebüsch. Die Neuen hatten sich nie zuvor bei Tageslicht auf solche Entfernung gezeigt, und jetzt sah das Gesicht aus wie der weiße Fellfleck bei einem Hirsch. Rauch war hinter dem Neuen zwischen den Bäumen, blauer, durchsichtiger Rauch. In Loks Kopf tanzten die Bilder wirr umeinander, und es gab ihrer zu viele – das war schlimmer als gar keine Bilder. Er nahm den Zweig aus den Zähnen. Er wußte nicht, was er schrie. »Ich komme mit Fa!«
    Er lief durch den Eingang und stand auf der Terrasse, und niemand war in der Nähe; er sah es, fühlte diese Leere als eine Kälte aus der Höhlennische auf sich einströmen, wo das Feuer gewesen war. Er kletterte schnell über die Erdböschung und spähte hinein. Das Feuer war auseinandergerissen worden, und als einziger der Gefährten weilte Mal in der Höhlennische, Mal, der unter seinem Hügel ruhte. Aber Gerüche und Zeichen gab es zur Genüge. Er vernahm ein Geräusch oben über der Nische, sprang aus dem Aschenrund heraus, und da kam Fa die Felsstufen herabgeklettert. Sie sah ihn, und sie flogen aufeinander zu. Sie zitterte und hielt ihn mit beiden Armen umfaßt. Sie schwatzten eines auf das andere ein.
    »Die knochengesichtigen Männer haben mir das gegeben. Ich bin den Hang hinaufgerannt. Liku hat über dem Wasser geschrien.« »Du bist den Felsen hinuntergestiegen. Ich klettere die Felsen hinauf, weil ich Angst habe. Männer kommen zur Höhlennische.«
    Sie schwiegen, verharrten stumm in zitternder Umarmung. Die Vielzahl ungereimter Bilder, die vom einen zum andern wollten, erschöpfte sie beide. Sie blickten sich hilflos in die Augen, und dann begann Lok ruhelos seinen Kopf hinüber und herüber zu werfen. »Das Feuer ist tot.«
    Sie traten, einander stützend, zur Feuerstelle. Fa hockte nieder und stocherte in den angekohlten Enden von Zweigen herum. Die Gewohnheit legte beiden ihre Hand auf. Sie setzten sich jedes an seinen angestammten Platz und schauten wie betäubt auf das Wasser und die silberne Linie, wo es über die Klippe stürzte. Die Abendsonne schrägte jetzt zur Höhlennische herein, aber kein rötliches Licht flackerte, um sich mit ihr zu messen. Fa rutschte hin und her und redete ihn schließlich an. »Sieh hier ein Bild. Ich blicke hinab. Die Männer kommen, und ich verstecke mich. Wie ich mich verstecke, sehe ich die Alte ihnen entgegengehen.«
    »Sie war im Wasser. Sie hat mich aus dem Wasser angesehen. Ich war mit dem Kopf nach unten.« Wieder starrten sie einander hilflos an. »Ich steige zur Terrasse hinunter, als die Männer weggehen. Sie haben Liku und das Junge bei sich.« Um Lok zitterte die Luft: gespenstischer Nachhall der Schreie Likus.
    »Liku hat über den Fluß hinweg geschrien. Sie ist auf der Insel.«
    »Dieses Bild kann ich nicht sehen.«
    Auch Lok verstand es nicht. Er breitete die Arme weit aus und verzerrte das Gesicht bei der Erinnerung an die Schreie. »Dieser Zweig ist von der Insel zu mir gekommen.«
    Fa untersuchte den Zweig aufmerksam von der hakigen Knochenspitze bis zu den roten Federn und dem weichen Einschnitt am Ende. Schließlich kehrte ihr Blick zu den Widerhaken zurück, und sie legte das Gesicht in Falten, als sie den braunen Schaft näher betrachtete. Loks Bilder waren ein wenig gereimter.
    »Liku ist auf der Insel bei den anderen Gefährten.« »Den neuen Gefährten.«
    »Sie haben diesen Zweig über den Fluß in den toten Baum geworfen.« »?«
    Lok versuchte, sie sein Bild sehen zu lassen, aber sein Kopf war zu müde, und er gab es auf. »Komm!«
    Sie folgten der Witterung des Blutes bis zum Rand des Flusses. Auch auf dem Fels am Wasser war Blut und ein wenig Milch. Fa drückte sich die Hände auf den Kopf und übertrug ihr Bild in Worte.
    »Sie haben Nil getötet und ins Wasser geworfen. Und die Alte.«
    »Sie haben Liku und das Junge

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