Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)

ihr Zeichen über Zeichen entgegen. Kunar nahm Tora das Buch ehrfurchtsvoll ab. Er blätterte vorsichtig darin herum und raunte:
    »Und all das kannst du lesen? Soviel Wissen! Ich wünschte, ich könnte etwas davon verstehen!« Sehnsüchtig starrte er auf all die vielen hundert kleinen Schriftzeichen, die allein zwei Seiten eines Buches zierten.
    »Wie soll man sich so viel merken können? Es dauert bestimmt Jahrzehnte dies alles zu lernen!«, sagte er ehrfürchtig.
    »Wozu willst du lesen lernen? Wir haben es doch bisher auch nie gebraucht! Außerdem gibt es bei uns doch eh keine Bücher!« Unwirsch nahm Tora Kunar das Buch aus der Hand und blätterte mutwillig darin herum.
    »Außerdem gibt es hier ja auch ein paar Bilder. Dafür muss man nicht lesen können…« Charlie ignorierte Toras Anmerkungen und begann sachlich und ruhig zu erklären, dass man nicht jed es Wort neu lernen muss, weil jedes Wort aus wiederkehrenden Buchstaben besteht. Sie griff nach einem anderen Buch, schlug es auf und sagte:
    »Das nennt sich Alphabet. Das Alphabet besteht aus..., warte mal..., A., B., C., D., E....«, schnell rappelte sie das schwedische ABC herunter und zählte mit Hilfe ihrer Finger nach. »26 Buchstaben, plus Ä, Ö, Â und..., Nein, ich glaube das waren alle!« Kunar hörte aufmerksam zu.
    »Aus diesen knapp 30 Buchstaben baut man alle Wörter!«
    »Aha!«, freute sich Kunar erleichtert. »Ich muss also nur die Buchstäben lernen und dann kann ich lesen?«, fragte er.
    »Buchstaben«, korrigierte Charlie. »Naja, fast. Ja, so ähnlich. Ich zeig es dir später. Da drüben sind Bilderbücher, die könnt ihr euch ja solange ansehen. Ich suche da vorne bei der Fachliteratur. Kann eine Weile dauern...«
    Kunar und Tora schlenderten zu den Kinderbüchern. Charlie zögerte kurz. Es sah schon sehr seltsam aus, zwei Jugendliche in abgetragenen Seidenumhängen zwischen Bilderbüchern! Sie zuckte mit den Schultern und eilte hinüber zur Abteilung für Religion. Jonas hatte gesagt, dass sie dort etwas über griechische und nordische Sagen finden würde.
    Eine halbe Stunde später saßen Charlie, Kunar und Tora an einem großen runden Tisch und hatten einen Berg Bücher vor sich ausgebreitet. Nachdem Charlie ein Buch über die griechische Mythologie gefunden hatte und darin diverse Fabeltiere wiedererkannte, die in Vanaheim sehr echt und kein Stück erfunden, entweder als Reittier, Arbeitstier oder Nahrung dienten oder schlichtweg frei lebten, hatte Charlie Tora und Kunar aufgeregt zu sich gerufen! Nun blätterten sie gemeinsam die vielen Bücher nach Dingen durch, die sie wiedererkannten.
    Charlie schwirrte der Kopf. Das war unglaublich! Jonas hatte recht gehabt. Auf Vanaheim vermischten sich Wesen, Namen, Götter und Plätze aus der nordischen und griechischen Mythologie! Das heißt, eigentlich kamen bloß viele Tiere aus dem Griechischen, sonst stammte das meiste aus den nordischen Göttersagen.
    Als Jonas gemeinsam mit Eva durch die breite Glastür stieg und auf die drei zukam, hatte Charlie noch nicht einmal Bruchstücke von dem verstanden, was sie dort las! Sie konnte hier noch nicht fort! Jonas seufzte und sagte:
    »Du kannst sie dir ja ausleihen. Geht auf meine Bibliothekskarte. Ist gar kein Problem. Du musst sie mir bloß in spätestens sechs Wochen wiedergeben!« Da Charlie bei der richtigen Auswahl an Büchern überfordert war, suchte Jonas ihr gezielt die wichtigsten heraus. Ein Buch über Fabeltiere allgemein (griechisch, chinesisch, nordisch usw.) und zwei über die nordische Mythologie und die Göttersagen. Außerdem liehen sie noch ein Pflanzenbestimmungsbuch aus. Ein nach Heilpflanzen und nach Krankheiten sortiertes Nachschlagewerk, in dem auch einiges über Zubereitung und Anwendungsart stand. Charlie bekam für ihre vier Bücher noch eine beige Leinentasche mit der Aufschrift Storby Bibliothek und dann machten sie sich auf den Weg zum Clubgelände. Jetzt würden sie erst einmal Spaß haben! Um sich durch die skandinavische Vergangenheit zu wühlen, blieb ihr später immer noch genug Zeit!
     
    In der Zufahrt zur großem Wald Runde hatten sich etwa 20 Autos versammelt. Teils Mitglieder des Storby Off-Road Clubs, teils Besucher aus anderen Clubs und einige sogar aus Dänemark. Es war fast fünf Jahre her, dass Charlie das letzte Mal bei einem Fahren dabei gewesen war. Damals lebten ihre Eltern Per und Lena noch und eines der vielen Autos war ihres gewesen. Ein wenig wehmütig sah sie über die Vielzahl der