Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
Uhr nachts sein.
Die letzten Stunden war Charlie abwechselnd durch dichten Wald, über Wiesen und steiniges Gelände gewandert. Dreimal war sie an eine Weggabelung gekommen. Hinweisschilder gab es leider und merkwürdigerweise keine. Dreimal musste sie sich entscheiden, welchen Weg sie nun einschlagen sollte. Wer weiß? Wäre sie an der ersten Gabelung links statt rechts abgebogen, wäre sie vielleicht schon vor Stunden auf Häuser gestoßen!
Am Rande des Dorfes verlangsamte sie ihren Laufschritt und spähte den sandigen Weg hinunter, der quer durch die kleine Ortschaft zu laufen schien.
»Merkwürdig«, dachte Charlie. »Die Häuser sind zwar aus Holz, aber nicht eines ist bemalt. Keine typischen roten oder gelben Schwedenhäuser.«
Das Dorf bestand aus schmalen, flachen Blockhäusern. Das Holz hatte eine natürliche graubraune Färbung. Charlie wusste nicht genau warum, aber anstatt wie geplant irgendwo anzuklopfen und nach dem Ortsnamen zu fragen, sprang sie, als sie Stimmen hörte, hinter den nächstbesten Busch und versteckte sich. Was sollte das? Hier hatte sie doch ihre Chance? Sie wollte gerade wieder hinter dem Busch hervorkriechen, als ihr bewusst wurde, weshalb sie den Drang verspürte, sich zu verstecken.
Zwei Männer kamen sich leise unterhaltend um eine Hausecke gebogen. Sie redeten in einer Sprache die Charlie eigenartig fremd, aber dennoch irgendwie bekannt vorkam. Charlie spitzte die Ohren und versuchte dem Gespräch zu folgen. Anfangs verstand sie gar nichts. Dann nach einer Weile, bemerkte Charlie, dass sie mit einiger Anstrengung die meisten Worte verstehen konnte. Die Endungen waren anders und auch der Satzbau glich nicht ganz dem Schwedisch, das sie kannte und welches in der Schule gelehrt wurde. Aber der Grund warum sie anfangs gar nichts verstanden hatte, war die Art, wie die Männer die Wörter und Satzteile betonten. Sie sprachen einen ihr völlig fremden Dialekt! Das klang zwar fast wie Schwedisch, aber irgendwie auch doch wieder nicht. Angespannt versuchte Charlie einen Sinn in die Worte der Männer zu bekommen:
»... schon Neues über die Triade gehört?« Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Ich halte dich auf dem Laufenden. Ist doch klar.« Der zweite Mann nickte. »Aber der Markt in Bragesholm wäre dieses Mal fast ausgefallen. Die Händler wurden durch unerwartete Kontrollen aufgehalten.« Der erste Mann seufzte leise. »Was glauben sie eigentlich zu finden, da traut sich...«
Konzentriert folgte Charlie dem Gespräch. Plötzlich legte sich eine Hand von hinten auf ihre Schulter und eine zweite erstickte gerade soeben ihren entsetzten Aufschrei!
»Sei still, ich tue dir nichts!« zischte eine leise Stimme hinter ihr. Oder zumindest glaubte sie, dass die Person hinter ihr ungefähr das gesagt hatte.
»Wenn du still bist, lass ich dich jetzt los«, flüsterte die Stimme etwas freundlicher. Charlie schluckte und nickte langsam. Ihr Mund wurde freigegeben und sie drehte sich hastig um und versuchte dabei gleichzeitig so viel Abstand wie möglich zwischen sich und ihren Angreifer zu legen. Dabei geriet sie mit dem Busch ins Gehege, der ihr zuvor als Versteck gedient hatte, und sie versuchte sich ästeprasselnd aus seinen Fängen zu befreien.
»Schscht!«, zischte die Stimme und eine Hand packte Charlie am Arm. Sie wurde hastig hinter dem Busch zu Boden gezogen. »Sollen sie dich vielleicht hier beim Spionieren entdecken?«, flüsterte die Stimme drohend.
»Ich spionieren nicht«, schnappte Charlie zurück und starrte geradewegs in die Augen eines Jungens, etwas jünger als sie selbst. Der Junge hatte kurze helle Haare und etwas schiefe Augen und ein leicht unsymmetrisches Gesicht. Es war nicht hässlich, nur ein wenig ungewohnt. Der Junge starrte erstaunt zurück.
»Du bist nicht von hier, was.« Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Der Junge zupfte an ihrer Jacke und zog eine Grimasse. »Seltsamer Stoff«, murmelte er. »Los, komm«, befahl der Junge kurz darauf und zog Charlie mit sich fort.
Es war schon fast dunkel. Charlie trabte gehorsam neben dem Jungen her, der zielstrebig das Dorf umrundete und dann einem schmalen Pfad ins Dickicht folgte.
»Wie heißt du?« Der Junge trug einen graubraunen Seidenumhang, dessen Saum in Fetzen hing. Darunter trug er dunkle Hosen aus demselben seltsamen, gleitenden Stoff. Am rechten Knie klaffte ein großes, ausgefranstes Loch.
»Charlie«, antwortete Charlie leise.
»Wie? Karle?«
»Nein, Charlie «,
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