Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
verbesserte Charlie. Der Junge blieb einen Augenblick nachdenklich stehen. »Noch nie gehört. Wo kommst du her?«
Charlie schwieg. Nicht dass sie ihm nicht antworten wollte, sie konnte nicht. Was sollte sie sagen? Aus Lillby? Da wo es normale Fichten, keine Tausendfüßler, Häuser mit Farbe und vor allem Menschen gab, die so sprachen wie sie? Okay, dachte sie. Lillby. Vielleicht kannte der Junge es ja. Doch bevor sie Luft holen konnte, um zu antworten, nickte der Junge.
»Ich verstehe«, murmelte er. »Du kannst in einem Schuppen gleich in der Nähe übernachten. Dort bist du während der Nacht sicher. Ich bringe dir unauffälligere Kleidung und etwas zu essen. Du solltest in diesem Dorf nicht betteln gehen, glaub mir.« Durchdringlich bohrte sich der Blick des Jungen in den ihren. Sie senkte automatisch und schuldbewusst den Kopf, obwohl sie ja nun wirklich nicht vorgehabt hatte zu betteln. Betteln !
»Ich weiß ja nicht, wie das bei euch so ist, da wo du herkommst«, fuhr der Junge fort, »aber hast du vielleicht eine Blumenschale am Ortseingang gesehen?« Charlie starrte den Jungen verwundert an. Blumenschale? Sie verstand nur Bahnhof! Der Junge runzelte besorgt die Stirn, wurde sehr ernst und fuhr seine Belehrung fort:
»Also, pass auf, es ist ganz einfach«, begann er. Der Junge hält mich für total bescheuert oder für zurückgeblieben oder sonst was! , dachte Charlie erstaunt, während sie gespannt der Fortsetzung dieses seltsamen Gesprächs folgte.
»Du musst dich so unauffällig wie möglich verhalten. Kinder ohne Eltern und Zuhause sind hier nicht geduldet. Leider gibt es nur allzu viele von ihnen«, fügte er seufzend hinzu. »Steht eine Holzschale mit Blumen am Dorfeingang, gibt es meistens ein bis zwei spendable Haushalte im Dorf. Ist die Schale leer, gibt es an diesem Tag nichts zu holen. Gibt es gar keine Schale, suchst du am besten schnellstens das Weite.« Der Junge blieb stehen und musterte Charlie. »Hast du das verstanden?«, fragte er dann sicherheitshalber, als er Charlies vor Erstaunen weit geöffneten Mund sah. Charlie schluckte und nickte hastig. Sie hatte zwar nicht jedes Wort dieser seltsamen Sprache mitbekommen, aber das mit den Blumenschalen hatte sie schon kapiert. Der Junge machte auf dem Absatz kehrt und setzte seinen Weg durch das Unterholz fort. Charlie folgte ihm mit einem Meter Abstand. Spinnt der?!, grübelte sie. Oder spinne ich? Betteln? Blumenschale? Viele elternlose Kinder? Okay, das hier ist definitiv nicht Schweden!
An einem verfallenen Schuppen machte der Junge halt und schob Charlie durch die tiefe Holztür in einen nach altem Heu riechenden kleinen Raum.
»Warte hier«, befahl er und war auch schon im Dickicht verschwunden.
Ratlos starrte Charlie in die Dunkelheit. Wie lange würde der Junge wohl wegbleiben? Was hatte er gesagt? Was zu essen und unauffälligere Kleidung? Charlie zuckte mit den Schultern. Gut, sich anpassen schien in ihrer Situation nicht verkehrt. Ihre Situation? Was genau war ihre Situation? In diesem Schuppen ist es aber auch stockdunkel! , dachte Charlie. Sie kramte die Taschenlampe heraus und leuchtete den Raum aus. Jede Menge altes Holz und Heu mit staubigen Spinnenweben überzogen lagen wild durcheinander gewürfelt im Schuppen verteilt. Es gab nur diesen einen Raum. Das Dach war im hinteren Teil halb eingestürzt und ein großer, schwerer Ast eines dieser seltsamen fichtenähnlichen Bäume hing durch die Öffnung hinein.
Charlie seufzte. Sie begann mühsam diverse Holzscheite beiseite zu räumen und häufte dann auf einer ebenen Fläche eine dicke Schicht Heu auf. Zumindest würde sie weich und hoffentlich trocken schlafen. Sie warf einen zweifelnden Blick auf das kaputte Dach über sich. Dann ließ sie sich rückwärts auf ihr nächtliches Lager fallen und knipste die Taschenlampe aus. Sie musste Batterien sparen. Wer wusste denn schon, ob es hier welche gab? Hier? Wo war eigentlich hier? Mittlerweile war Charlie sich ziemlich sicher, dass dies nicht Schweden war, auch wenn sie es nicht verstehen konnte und es ganz und gar gegen alles sprach, was so allgemein als richtig und falsch oder als echt und unecht galt. Sie hatte eigentlich gedacht, dass sie die Grenze zwischen Realität und Märchen kannte. Den Weihnachtsmann gab es nicht, genauso wenig wie den Osterhasen, Zauberei, Magie und Gespenster. Aber wenn das, was sie sich so langsam einzugestehen begann, wahr war, konnte es dann nicht auch den Weihnachtsmann geben? Plötzlich
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