Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
Mantel ein stattliches Bild ab.
Charlie saß auf einem jungen Einhornwallach mit ebenso sanftem Gang, wie Gemüt. Er hieß Gler und war ein treues und gutmütiges Tier. Charlie gab allerdings ein weniger stattliches Bild ab. Nach fast sechs Stunden raschen Rittes tat ihr das Gesäß weh und das nicht zu knapp. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich wund geritten hatte. Ein Wunder wäre es nicht, denn sie war es einfach nicht gewöhnt , auf einem Einhornrücken zu sitzen. Die Jahre mit ihrem Isländer lagen lange zurück und auch die vereinzelten Ritte auf Gyller hatten ihr nicht das nötige Sitzfleisch zurückgegeben. Sie stöhnte leise und rutschte auf dem ansonsten wirklich sehr bequemen Sattel in eine andere Position.
Biarn warf ihr einen schnellen Blick zu und zügelte seinen Hengst.
»Wenn du willst, kannst du eine Weile absteigen und Gler führen.« Charlie ließ sich nicht zweimal bitten. Steif glitt sie an Glers Seite herab und streckte ihre Glieder. Ihre Gesäßknochen schmerzten heftig und eine Weile ging sie schweigend neben Gler und Skinfaxe her. Langsam wurden ihre steifen Muskeln weicher und ihre Schritte schneller.
»Wir werden einen kleinen Umweg nehmen, um Schloss Bilskirne zu umgehen«, sagte Biarn. »Wenn es geht, müssen wir ja nicht direkt am Schloss vorbei reiten.« Biarn sprang von seinem Hengst hinunter und begann neben Charlie herzulaufen. Sie sah ihn fragend an.
»Tut dir etwa auch dein Hintern weh?« Biarn grinste breit und schüttelte den Kopf.
»Nein, aber wir sind schon sehr lange und sehr zügig unterwegs. Auch wenn Einhörner extrem ausdauernde Tiere sind, und ohne Schwierigkeiten große Lasten tragen können, ist es hierzulande normal auch einmal zu laufen, um sein Tier zu entlasten.« Er spähte den sandigen Weg entlang. Lin ks von ihnen türmte sich Gymers-Berg auf und zu ihrer Rechten breiteten sich Trudvangs Wälder aus. Sie hatten das Neue Land vor kurzem verlassen und dicke alte Bäume ragten mit weit ausladenden Schuppennadelzweigen meterhoch neben ihnen empor. Einige grüne Rennspinnen huschten über den Waldboden und verschwanden schnell zwischen den mächti gen Stämmen der uralten W ichtel fichten .
»Außerdem kommt dort vorne jemand. Es sehe wohl recht seltsam aus, wenn nur einer von uns sein Einhorn führt.« Charlie spähte ebenfalls voraus. Tatsächlich kamen dort zwei Personen im Schritttempo auf sie zugeritten. Das war nicht weiter ungewöhnlich. Sie waren in den vergangenen Stunden schon einigen Reisenden begegnet. Wie Biarn ihr geraten hatte, ging sie schweigend mit gesenktem Kopf ein paar Schritte hinter ihm her.
Die Männer unterhielten sich angeregt. Charlie spitzte die Ohren.
»Ich habe gehört, dass sich die Triade zurzeit hier in der Gegend um die Bilskirne Ländereien aufhält. Offensichtlich wollen sie die Ge gend um Gymers-Berg noch einmal gründlich absuchen«, sagte der ältere der beiden und kratzte sich am Kinn.
Charlie gefror das Blut in ihren Adern! Gymers-Berg? Jetzt? Kunar, Tora und Hanna... Sie mussten sie warnen! Sie riss sich zusammen und lauschte weiter. Biarn schritt vor ihr her, als wäre nichts gewesen. Unter seinem langen Mantel und der Kapuze konnte niemand seine Anspannung bemerken.
»Nicht schon wieder!«, antwortete der Jüngere und seufzte. »Haben wir nicht schon genug gelitten? Wieso noch einmal?« Er hob fragend die Augenbrauen.
»Offensichtlich haben Bauern vor einigen Tagen auf der Durchreise zwei Halbwüchsige auf der Jagd gesehen. Einer davon war ein Mädchen...« Der Ältere warf dem Jüngeren einen vielsagenden Blick zu und der Jüngere seufzte wieder und schüttelte den Kopf.
»Die armen Geschöpfe. Vermutlich harmlos. Odens Helfer werden sie wohl kaum entkommen lassen. Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken.« Die beiden nickten Biarn zum Gruß zu und ritten gemächlich weiter.
»Die Suche soll morgen früh beginnen, habe ich gehört...« Mehr konnte Charlie nicht verstehen. In ihrer Brust erreichte die Anspannung ihren Höhepunkt und sobald die beiden Reiter außer Hörweite waren, sah sie sich verstohlen nach ihnen um und flüsterte aufgeregt:
»Biarn!... Biarn!«, wiederholte sie eindringlich. Ohne sich umzudrehen ging Biarn anscheinend seelenruhig weiter neben Skinfaxe her.
»Bleib wo du bist und sei still!«, befahl er leise. Charlie war innerlich so angespannt, dass sie glaubte aus ihrer Haut fahren zu können. Trotzdem schwieg sie und führte Gler weiterhin hinter Biarn her. Gler schien ihre
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