Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
fortschaffen und es ihnen ermöglichen, in einer fernen Welt ein neues, freies Leben zu beginnen.
Leviathan war nur einer von vielen Gesandten, die überall auf Mannaheim platziert worden waren, um im richtigen Augenblick einen magischen Nebel heraufzubeschwören, der von den mächtigsten Magiern jener Zeit zu einer Pforte umgewandelt werden sollte – zu einem Tor in eine neue Welt!
Leviathan sollte den magischen Nebel für alle Meermenschen heraufbeschwören. Doch er hatte sich für die Liebe zu Kendra entschieden.
Er konnte jetzt nicht mehr zu Neptun und den Meermenschen zurückkehren. Er zog die Frau, für die er alles aufgegeben hatte, in seine Arme und sah ihr tief in die Augen.
»Kendra, bist du bereit mir zu folgen, wohin uns der Weg auch führt? Bist du bereit, für unsere Liebe dein bisheriges Leben für immer hinter dir zu lassen?«
Sie lächelte und nickte. Sie wusste endlich, was ihre Bestimmung war und wohin sie gehörte.
»Es ist soweit«, flüsterte Leviathan Kendra ins Ohr und drückte sie noch einmal fest an sich.
»Was ist soweit?«, fragte Kendra. Leviathans Augen glitzerten. Er löste ihre Umarmung und sprach einen Zauber aus. Eine dicke Nebelwand erhob sich aus dem Nichts und hüllte sie ein.
Er reichte ihr die Hände.
»Wir werden jetzt gehen, Kendra. In eine bessere Welt.«
Obwohl sie nicht die leiseste Ahnung hatte, was sie erwartete, vertraute sie ihrem Geliebten und folgte ihm ohne Zögern in den Nebel.«
Der Thul sah in die Runde und betrachtete die gespannten Gesichter der vielen Kinder, die auf die Fortsetzung der Geschichte warteten.
Charlie rührte sich nicht, doch die Gedanken in ihrem Kopf wirbelten durcheinander.
Eine seltsame Geschichte. Eine verbotene Geschichte? Und war es tatsächlich nur ein Märchen? Es gab so viele Übereinstimmungen … Den Nebel und den groß angelegten Plan, von der Erde zu fliehen … Gab es tatsächlich Meermenschen – auf der Erde und womöglich auch hier auf Godheim?
»Wie ging es weiter?«, wollte der ältere Junge wissen und das Mädchen, das die Geschichte als Erste hören wollte, antwortete ihm:
»Sie kamen hierher in unsere Welt und es heißt, dass sie die aller-ersten Menschen waren, die Vanaheim betraten!«
»Ist das wahr?«, fragte der Junge.
Der Thul lächelte.
»Nicht ganz«, sagte er. »Doch sie waren auf jeden Fall die ersten Menschen seit sehr, sehr langer Zeit. Leviathan führte Kendra durch den Nebel in eine andere Welt – in unsere Welt – und nach ihnen kamen noch viele Tausende aus Mannaheim durch den Nebel. Es heißt, dass sie der Verfolgung entflohen, um hier ein Leben in Freiheit zu beginnen. Auf Godheim sollte alles anders werden. Magie durfte nicht als Werkzeug des Bösen gelten. Viele hundert Jahre lebten die Menschen in Godheim und Vanaheim friedlich und frei ein Leben ohne Unterdrückung.«
Kunar runzelte besorgt die Stirn.
»Dieser Thul ist entweder sehr dumm oder sehr mutig. Wenn auch nur eines der Kinder von dieser Geschichte erzählt, ist es sein Todesurteil.«
Charlie und Tora pflichteten ihm bei.
»Leviathan und Kendra lebten ein langes und glückliches Leben. Sie bauten sich ein Heim, und man sagt, dass sie zwei wunderschöne Kinder bekamen«, fuhr der Thul fort.
»Ferner erzählt man sich, dass die Fähigkeit, sich in Meermenschen zu verwandeln, allein in ihrer Familie weitergegeben wurde. Niemand außer ihnen und ihren Nachkommen beherrschte je wieder diese magische Fähigkeit! Sie wurde von Generation zu Generation weitergegeben, und soweit ich weiß, reichte sie bis in eines der damaligen Königshäuser.«
Dann flüsterte der Thul:
»Der mächtige Allvater persönlich soll dafür gesorgt haben, dass diese spezielle Blutlinie ausstirbt …«
Das Mädchen schnappte hörbar nach Luft. Die anderen Kinder tuschelten. Der ältere Junge nickte anerkennend.
»Eine gute Geschichte. Aber natürlich nur eine Geschichte ?«, fragte er mit einem Hauch von Unsicherheit.
Der Thul zwinkerte ihm zu.
»Selbstverständlich, mein Junge, nur eine Geschichte!«
Dann sprang er auf die Beine.
»So, Kinder! Zurück nach Hause, bevor die Nacht hereinbricht!«
Noch während Charlie den Thul beobachtete, fühlte sie, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten. Ein Schauer fuhr ihr über den Rücken. Hinter ihr erhob sich ihre Fylgja mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft. Hastig zog sie sich ihre Kapuze noch weiter ins Gesicht und drängte Kunar zur Seite.
»Irgendetwas geht hier vor!«, wisperte sie
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