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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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wuchs. Er hörte die Männer tuscheln und spürte die Gefahr.
    Als Magier der vier Elemente wäre es für Leviathan ein leichtes gewesen, dieses Schiff zu versenken oder die Männer zu überwältigen, um Kendra zu entführen. Doch er war kein Mörder. Also wartete er ab.
    Sein Plan war es, Kendra an Land aufzusuchen und sie zur Rückkehr zu bewegen. Das war der schwierigste Teil in seinem Plan, denn er teilte durchaus Kendras Abneigung dem Fürsten gegenüber, und Kendra würde sich außerdem bei ihrem Vater entschuldigen müssen. Wenn ihm dies gelang, konnte er Kendra retten und trotz allem seine wahre Mission erfüllen. Es blieben ihm aber nur noch wenige Wochen Zeit.
    Doch alles kam ganz anders, und in seinem Innersten hatte Leviathan sowieso gewusst, dass sich Kendra niemals zur Rückkehr, geschweige denn zu einer Entschuldigung hätte überreden lassen. Im Grunde genommen hatte er sich bereits entschieden – für Kendra und gegen Neptun und dessen veralteten Vorstellungen.
    Leviathan wurde also Zeuge der Geschehnisse an Bord von Kapitän Eriks Schiff. Kendra bekam er allerdings nur selten zu Gesicht. So ungern er es tat, Leviathan musste zugeben, dass sich der Kapitän rührend um Kendra kümmerte und sie energisch vor der Mannschaft beschützte.
    Als das Schiff anlegte, stahl Leviathan einem Matrosen die Kleidung und folgte Kendra aufs Festland.
     
    Erik hatte sich in Kendra verliebt. Und obwohl er die Gefahr sah, in die er sich durch ihre Anwesenheit begab, wollte er diese nicht wahrhaben. Er führte Kendra voller Hoffnung auf seine Burg an der Steilküste dieses rauen Landes, das seine Heimat war. Die Brandung schlug wild gegen die schroffen Felsen und der Wind trieb den ständigen Regen gegen das uralte Gemäuer.
    Für Erik war Kendra ein Geschenk des Meeres, das er aus vollem Herzen liebte, doch seiner Dienerschaft kamen bald seltsame Gerüchte zu Ohren. Die abwegigen Ansichten seiner Mannschaft fanden trotz Eriks Bemühungen, sie zu unterbinden, bei immer mehr Menschen Anklang.
    Diese unbekannte Frau, die Graf Erik mit auf seine Burg genommen hatte, sei eine Nymphe, behaupteten die einen, eine Sirene, die dem jungen Herrn den Kopf verdreht habe, sagten die anderen.
    Doch alle waren sich einig: Hier ging es nicht mit rechten Dingen zu. Ob Nymphe, Sirene oder Meerjungfrau, es konnte nichts Gutes dahinterstecken. Kendra habe Graf Erik verzaubert und ihn in ihren Bann gezogen. Nur eine Hexe konnte solche Kräfte haben.
    Er war natürlich unschuldig, dieser anständige junge Graf und Kapitän. Er war verführt worden. Verführt vom Bösen.
     
    Kendra bekam von dem Gerede in der Grafschaft nichts mit. Eriks Einfluss war zu groß, als dass seine Untertanen es gewagt hätten, in seiner Gegenwart aufzumucken. Doch sie spürte den Hass, der ihr entgegenschlug.
    Sie versuchte, sich in dieser neuen Welt wohl zu fühlen und zurechtzufinden, doch ihre Unruhe wuchs. Sie redete sich ein, dass ihr lediglich das Fremde Angst einjagte und dass sie und die Menschen mit der Zeit Vertrauen zueinander fassen würden.
    Doch einige Male hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden.
    Leviathans Gesicht tauchte vor ihrem inneren Auge auf – besorgt, angespannt und zugleich von Sehnsucht gezeichnet. Doch Erik und das ungewohnte Leben auf der Burg lenkten Kendra zu sehr ab, als dass sie verstand, dass ihr Instinkt sie damit zu leiten versuchte.
    Sie spürte, dass sich Erik in sie verliebt hatte, doch über ihre eigenen Gefühle war sie sich so im Unklaren wie noch nie zuvor in ihrem jungen Leben.
    Sie war erleichtert, der Hochzeit mit dem Fürsten entkommen zu sein, litt aber auch an Heimweh. Und dann war da noch Leviathan!
    Als die furchtbaren Gerüchte endlich das Burgpersonal erreichten und Kendra zum ersten Mal bewusst wahrnahm, dass sie sich in Gefahr befand, war es zu spät.
     
    Erik und Kendra saßen gemeinsam beim Frühstück. Lautes Gepolter und drohende Stimmen waren zu hören. Das Hausmädchen kam angelaufen und stammelte unzusammenhängende Wörter.
    Erik sprang auf.
    »Was geht hier vor?«, rief er und warf seine Serviette auf den üppig gedeckten Tisch. Da stürmten mehrere Männer in den Raum. Allen voran ein Mann, der auf Mannaheim einer Institution angehörte, die sich Kirche nannte.
    Er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Kendra.
    »Ergreift sie!«, brüllte er.
    Kendra sprang auf und wich zurück.
    Vier Männer umrundeten wortlos und mit bedrohlichen Blicken den langen Tisch.
    »Was soll das!«, rief Erik.

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