Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
gewandt. Und sie hatte sich dafür entschieden, Fulla zu vertrauen. Sie hatte Aslaks Urteil vertraut, weil er fühlen gesagt hatte. Es wäre so ein Gefühl …
Heute war sich Hanna sicher, dass Fulla genau das gemeint hatte, als sie vor drei Monaten Aslak das Vertrauen geschenkt hatte. Er konnte fühlen , wem man vertrauen konnte und wem nicht!
Auch wenn Hanna mit dieser Magiegeschichte nicht viel am Hut hatte, war sie doch der Meinung, kein unnötiges Risiko eingehen zu müssen. Bisher schwiegen alle Eingeweihten , und Hanna unterrichtete .
Diejenigen, die ihren Erzählungen von der Erde Glauben schenkten und diejenigen, die alles für blühende Fantasie hielten, hielten sich die Waage – doch alle bekamen sie langsam, aber sicher ein Bild von der Welt, wie sie sein könnte. Einer Welt ohne Oden, einer freien Welt, einer Welt, in der das Volk regierte.
Hanna schürte die Sehnsucht nach einem anderen Leben, und sie spürte, wie die Eingeweihten zunehmend zu einer Gemeinschaft wurden, in der es gegenseitiges Vertrauen gab.
Egal ob Hanna die Wahrheit sprach oder alles erfand, so erzählte sie doch unglaublich ketzerische Geschichten, die kein Bärsärker mit ihnen in Verbindung bringen durfte. Und sie sprach nicht nur über die Erde, Charlie und ihre Freunde – sie hatte auch damit begonnen, den Eingeweihten Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen.
So ganz nebenbei vermittelte sie auch die Grundkenntnisse über Hygiene. Ihre Geschichte über unsichtbare Bakterien, die krank machten, grenzten für alle an Magie, trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – nahmen sie sich Hannas Worte zu Herzen.
Da es in dieser Welt nur Runen gab und auch Magie auf ihnen basierte, hatte sich Hanna entschieden, sie auch als Schriftzeichen zu verwenden und nicht das Alphabet.
Sie erinnerte sich an den größten Teil des Inhalts von Charlies Büchern über Runen, Runenmagie und Fabeltieren. Außerdem boten ihr Odens Bücher eine Fülle an Lehrstoff über Vanaheims und Godheims Bewohner.
Sie vermittelten ihr sogar ansatzweise einen Einblick in die Vergangenheit dieser Welt, in der offensichtlich Frieden und Gleichberechtigung geherrscht hatten. Demnach waren die Menschen der alten Zeit viel mehr mit ihrer Umwelt und ihrer Magie beschäftigt gewesen als mit ihrer Gesellschaftsform.
Hannas Unterricht trug jedenfalls bereits erste Früchte. Die Eingeweihten wurden selbstsicherer und mutiger. Hoffentlich gab es in naher Zukunft auch Bedarf für ihre neugewonnene Hoffnung und Zuversicht.
Am schwierigsten fand sie es, die Sklaven Asgârds aus ihrer Lethargie zu reißen. Wenn nunmehr die Idee einer anderen, besseren Welt zerschlagen würde, oder einfach im Hvergelmer vor Asgârd versank, würde dies Verzweiflung zur Folge haben. Hanna machte sich insgeheim Sorgen.
Fulla hielt sie für das Licht , aber was konnte sie schon tun, außer Hoffnung zu schenken?
Hanna wandte sich Aslak zu.
»Und? Hast du Byleist folgen können?«
Aslak nickte und griff sich einen der letzten schmutzigen Teller. »Lass uns das hier schnell fertig machen und dann gehen wir«, sagte er.
»Wohin?«, fragte Hanna.
»Wieder zum Gladsal.«
»Aber dort waren wir doch schon!«, protestierte Hanna. »Da kommen wir nicht rein! Oder hast du rausgefunden wie?«
»Ja, vielleicht«, antwortete er.
Sie hatten tatsächlich bereits mehrmals die in das Gemäuer eingelassene Tür gegenüber dem Eingang zum Gnipahâl besucht. Vergebens. Hanna hatte nach dem Schlüssel gesucht, ähnlich dem Stein, den Aslak versehentlich in die Mauer gedrückt hatte. Nichts. Sie hatte jede einzelne Fuge untersucht, ohne Ergebnis.
Dann waren sie dazu übergegangen, andere Teile der Burg zu durchstöbern. Sie hatten vermutet, dass es sich bei dem Torbogen nur um eine Türattrappe handelte, um den Zugang zum Gnipahâl zu erschweren.
»Es ist doch eine Tür«, sagte Aslak leise. »Ich habe gesehen, wie Byleist einen Stein hineingedrückt hat und dann in dem Gang dahinter verschwunden ist.«
Hanna starrte ihn an.
Wie war das möglich?
»Er kam wenig später mit einem der Fenriswölfe heraus«, berichtete Aslak. »Ich glaube, es war Freke. Es sei denn, sie haben alle graues Fell«, überlegte Aslak.
Das ist doch unwichtig, dachte Hanna.
»Aber wie hat er es gemacht?«, fragte sie ungeduldig.
»Ich habe da so eine Theorie«, murmelte er und wurde rot bis über beide Ohren. Er starrte auf seine Hände im Waschwasser. Der Gedanke, der ihm gekommen war, würde Hanna nicht
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