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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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den langen, braunen Haaren begrüßte Charlie und Kunar mit einem Lachen auf ihrem Gesicht. Charlie hob zur Begrüßung die Hand. Sie rief der Frau etwas zu und drehte sich dann um. Sie sagte etwas, und als sie keine Antwort bekam, rief sie nach Hanna. Und da hörte sie es: »Tora? Tora!«
    Hanna erwachte mit einem Ruck aus ihrem Tagtraum. Mit frischer Schürze und Putzutensilien stand sie vor Odens Gemächern. Sie hatte klopfen wollen, war aber irgendwie davon abgekommen und in einen traumähnlichen Zustand verfallen.
    Und das nicht zum ersten Mal!
    Leicht verwirrt klopfte sie an die große Holztür. Niemand antwortete. Hanna trat ein.
    Der Raum war leer, das kleine Turmfenster stand offen. Hugin und Munin waren also ausgeflogen, und dass Oden zugegen sein würde, das hatte sie sowieso nicht erwartet.
    Oden hatte nicht viel an seinen Gepflogenheiten geändert. Wie zuvor war er die meiste Zeit verreist . Und wie Hanna voller Sorge vermutete, war er auf der Erde, um … – ja, um was zu tun? Unheil zu stiften?
    Hanna machte sich keine falschen Hoffnungen. Oden würde niemals etwas Gutes im Schilde führen.
    Bei einer der wenigen Gelegenheiten, bei denen sie Oden zu Gesicht bekommen hatte, war er wutentbrannt auf und ab gelaufen und hatte gebrüllt und gedroht. Zwei ihr unbekannte Bärsärker standen zitternd und mit gesenkten Köpfen vor ihm. Hanna hatte nur etwas wie »Vile und Ve! Tot! Ermordet!« mitbekommen, bevor sie rausgeworfen wurde.
    Sie erinnerte sich, wie sie gedacht hatte:
    »Wie schön, zwei Bärsärker weniger!«
    Hanna machte sich an ihre tägliche Arbeit, die sie bereits im Traum erledigen konnte.
    Traum … diese seltsamen Träume … Das war nun bereits das vierte Mal gewesen, und mit jedem Mal wurden die Träume intensiver und realistischer.
    Hanna staubte Odens Thron ab.
    Es war wie ein Stummfilm gewesen, und sie war als stille Beobachterin mittendrin gewesen. Aber dieses Mal war sie angesprochen worden.
    Nein, eigentlich war nicht sie selbst angesprochen worden, sondern Tora. Als ob sie Tora wäre …
    Jetzt, wo sie darüber nachdachte: Sie hatte Tora in ihren Tagträumen nie gesehen.
    Was nicht weiter verwunderlich wäre, wenn ich selbst in diesen Träumen Tora wäre. Aber wenn das so ist, weshalb dann? Warum sollte ich Tora sein wollen?
    Dass sie sich wünschte, dass es Tora und Kunar gut ging, war nur selbstverständlich.
    Aber weshalb sollte sie sich selbst nach Toras Rolle sehnen? Und warum sah sie Charlie in ihren Träumen? Laut Od war Charlie ja von Oden vergiftet worden.
    Hanna reinigte der Reihe nach Odens Bücher und stellte sie sorgfältig zurück ins Regal. Sie war jetzt mit ihren Gedanken zu beschäftigt, um darin herumzublättern und Neues zu erfahren. Die Arbeit war zeitraubend. Die Dämmerung hatte eingesetzt, und bald würde ein voller Vanaheimmond Asgârds Innenhöfe erleuchten.
    In ihrem ersten Tagtraum hatte Hanna Kunar gesehen, schlafend in einem Bett. So kam es Hanna jedenfalls vor. Kunars Gesicht und Hände waren von Wunden übersät gewesen, und obwohl er sich nicht regte, lag ein schmerzverzerrter Ausdruck auf seinem Gesicht.
    Hanna war erschrocken zusammengefahren, als sie aus diesem Tagtraum erwachte. Zum Glück war nur Aslak in ihrer Nähe gewesen. Er hatte sie besorgt betrachtet, aber sie hatte ihm versichert, dass ihr nichts fehle. Nach einigem Drängen und Aslaks Mahnung, dass sie gemäß Fullas Anweisung zusammenarbeiten sollten, hatte sie ihm genervt erzählt, dass sie an ihre Freunde gedacht und plötzlich Angst gehabt hatte, dass ihnen etwas zugestoßen sein konnte.
    Obwohl das Erlebnis Hanna erschreckt hatte, glaubte sie tatsächlich, dass ihr Unterbewusstsein ihr einen Streich gespielt hatten. Aber Aslak war weiterhin besorgt gewesen und wollte Genaueres wissen. Hanna hatte ihn mit spöttischen Bemerkungen stehen lassen. Für ihn wäre ja bereits ein Pickel Anlass zur Sorge und ein gewöhnlicher Alptraum ein visionäres Zeichen.
    »Du hast Alpträume?«, hatte er sie bestürzt gefragt. Hanna hatte ihm dann die Tür von Vingolf vor der Nase zugeschlagen.
    Von ihrem zweiten Tagtraum hatte sie ihm vorsichtshalber gar nichts erzählt. Sie war gerade auf dem Weg durch Asgârds dunkle Gänge, als es passierte. Sie musste trotz des Tagtraums weitergegangen sein, denn als sie erwachte, wusste sie zuerst gar nicht genau, wo sie sich befand.
    Hanna hatte wieder Charlie gesehen. Er stand etwas abseits eines Lagerfeuers, um das sich mindestens ein Dutzend Kinder

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