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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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innigen Umarmung. »Es wird Zeit.« Er führte einige Handbewegungen aus und sprach eine Form, die für das Mädchen wie: »Lagaz som Nifel« klang. Plötzlich bildete sich wie aus dem Nichts eine dichte Nebelwand auf der Bergwiese.
    »Trage das Amulett stets auf dem Körper. Nimm es niemals ab. Es wird ab heute dein ständiger Begleiter sein.« Das Mädchen nahm den weißen Stein zwischen ihre Finger. Dann ließ sie ihn unter ihr Hemd gleiten. Der alte Mann reichte ihr seine vertraute Hand. Sie klammerte sich daran fest wie eine Ertrinkende an einem Ast. Dann schritten sie gemeinsam in den dichten Nebel hinein.
    Die Nebel in Soras Kopf und am Jättestol lichteten sich gleichzeitig. Hravn schnaubte ihr ins Ohr und stupste sie noch einmal an. Nachdenklich kraulte Sora ihm die Brust und starrte vor sich ins Leere.
    So detailliert hatte sie diese Szene niemals zuvor gesehen. Und zum allerersten Mal hatte sie gehört, was der alte Mann gesprochen hatte …
    Sora war sich sicherer denn je, dass es sich um eine Erinnerung handeln musste. An ihre frühe Kindheit und an ein Leben vor Euripides. Sie sollte das Amulett auf dem Körper tragen, hatte der alte Mann gesagt. Dies bestätigte Soras eigene Erfahrung mit dem Stein. Nur dann entfaltete er seine Kräfte.
    Der Stein – das Amulett ihrer Patin auf Godheim …
    Sora konnte sich nur an ihre Eltern auf Euripides erinnern.
    Wenn diese nicht ihre leiblichen Eltern gewesen waren, woher stammte sie dann? Und wie sollte sie dies heute noch in Erfahrung bringen?
    Immerhin waren inzwischen Tausende von Jahren vergangenen, die sie dank des Amuletts in einem schlafartigen Zustand verbracht hatte!
    Aber wer verursachte all diese seltsamen Ereignisse? War es das Amulett, das magische Kräfte besaß, oder war es sie selbst?
    Gemini hatte von Menschen mit magischen Fähigkeiten gesprochen, nicht von magischen Gegenständen. Wenn Sora selbst nun keine magischen Kräfte besaß, weshalb reagierte dieser weiße Stein mit seinen blutroten Linien dann nicht auch auf andere? Unzählige Wissenschaftler hatten auf Euripides den Stein untersucht und außer einer leichten latenten Strahlung nichts Außergewöhnliches daran entdecken können. Bei den Wissenschaftlern waren keine seltsamen Dinge geschehen. Bei ihnen hatte es keine Magie gegeben.
    Magie …
    Sora seufzte und dachte an Archimedes, ihren Wissenschaftler-Freund auf Euripides, der zu ihr gehalten hatte.
    Jedes Mal, wenn sie hier am Jättestol stand, stellte sie sich vor, wie er das Phänomen des rasch aufsteigenden Nebels wissenschaftlich erklären würde. Natürlich gab es solch eine Erklärung, davon war auch Sora überzeugt.
    Aber wie sah es mit Magie aus? Was war Magie? War es eine unbekannte Energie, die man laut Archimedes lediglich noch nicht messen konnte? Und was waren das für dunkle Zeiten, von denen der alte Mann gesprochen hatte?
    Sora fröstelte bei der Erinnerung an die beklemmende, angsteinflößende Stimmung auf der Bergwiese, die in solch einem scharfen Kontrast zu der Leichtigkeit und Unbeschwertheit auf der kreisrunden Blumenwiese stand.
    Zwei Erinnerungen, die vom Gefühl her nicht unterschiedlicher hätten sein können.
    Der Nebel hatte sich fast gänzlich aufgelöst.
    Sora schaute auf und sah, wie Hravn ruhig, aber aufmerksam etwas hinter sich beobachtete.
    Es war Zodiak.
    Mit seinem schwarz-weißen Fell und seinem ebenso schwarz-weißen, langen Haupthaar stand der Kentaur regungslos auf einer Anhöhe und betrachtete Sora und Hravn. Sora warf einen letzten Blick in den Trymfjord hinunter, durch den noch einzelne Nebelschwaden zogen, dann schlenderte sie zur Zodiak hinüber.
    Sie standen sich eine Weile schweigend gegenüber.
    »Du bist mit dem Nebel gekommen. Wirst du uns nun wieder verlassen?«, fragte Zodiak schließlich. Sora zögerte. Sie dachte an ihre Freunde und an den Planeten Euripides. Er war, solange sie sich erinnern konnte, ihre Heimat gewesen. Eine Heimat mit vielen Rätseln, die Sora lösen wollte.
    »Nein«, antwortete sie schließlich.
    »Ich verstehe«, sagte Zodiak.
    »Glaubst du an die Legenden?«, fragte sie dann nach einer Weile. Zodiak sah sie abschätzend an.
    »Ja, das tue ich. Mein Vater hat mich die alten Sagen gelehrt und mich ermahnt, sie kritisch, aber dennoch offen anzunehmen.« Sora ließ ihren Blick über das Hochland gleiten.
    »Hat Taurus deshalb nach einem Thul schicken lassen?«, fragte sie.
    »Möglich«, antwortete er zögernd. »Wir Kentauren gehören der Urbevölkerung

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