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Die Erben Der Flamme

Die Erben Der Flamme

Titel: Die Erben Der Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Thomas
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mir, ein wenig von eurer Zeit zu stehlen.«
    Lee musterte den mysteriösen Fremden vor ihr am Podium. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Er wirkte schlaksig in der falschen Magierrobe, die überhaupt ein falsches Bild von ihm vermittelte. Unter Dunkelmagier stellte sich Lee, blasse um Jahre ältere Gestalten vor. Der junge Mann war jedoch voller Leben. Fast glaubte Lee, dass er gar nicht aus Ab’Nahrim stammte. Wildes Haar umrahmte ein Gesicht, in das Strähnen wie Federn in die Stirn fielen. Sein markantes Kinn verlieh ihm etwas Ehrwürdiges, vielleicht auch Abschätziges, das siegessichere Lächeln täuschte jedoch über alles hinweg. Ruhig ließ er seinen Kopf über die Menge schweifen, als würde er jeden Einzelnen und alle zugleich ansprechen wollen.
    »Der Führer der Schattenhand war verhindert und bat mich an seiner statt zu sprechen. Mein Name ist Akio.«
    Lee überraschte die Selbstsicherheit, mit der dieser Akio sprach. Wie alt war er? Sechzehn? Siebzehn? Sie selbst wäre dort oben vor Scham im Erdboden versunken!
    »Das darf nicht sein. Wachen! Mein Vater …«
    »Psst!«, kam es sogleich aus mehreren Kehlen.
    Lee lächelte, als Kalas Augen groß wurden. Du bist hier nicht in deinem Haus im Nordviertel , dachte sie belustigt.
    Akios Stimme hallte über den Platz. »Volk von Ab’Nahrim. Seit Jahrhunderten leben wir in der Unterwelt, im warmen Schoß der vereisten Erde. Belerock ist Ab’Nahrims Vater, wir sind das Kind der Zwergenstadt und danken für die mildtätigen Gaben unseres Vaters. Die verwüsteten Tempel sind unsere Heimat, der Ort, an dem unsere Herzen schlagen. Sie schlagen gegen ve rtrauten Stein, dessen Oberfläche wir kennen, an dessen Ecken und Kanten wir uns wohlwissentlich verletzen. Doch zählt nur das Hier und Jetzt, das Überleben, Tag für Tag.«
    Unruhiges Gemurmel machte sich breit. Einigen Ruinenbewohnern war der unterschwellige Sinn in Akios Worten nicht entgangen. Wachsam harrte Lee seiner nächsten Worte. In ihr regte sich eine leise Vorahnung.
    »Wie dankbar sind wir unseren Wohltätern, den Dunkelmagiern, die sich uns angenommen haben? Wo wären wir ohne sie? Wie würde unsere Welt ohne sie aussehen? Halt! Vergebt mir, Freunde, ich vergaß, es gab nie eine Welt vor ihnen. Die Vergangenheit liegt im Qualm der Schmieden - sie interessiert nicht! Die Dunkelmagier geben uns Geschichte, sie geben uns Heim, sie geben uns Essen, Arbeit und Schutz. So leben wir, umgeben von Ruß, Asche und Lava, inmitten der Verwahrlosung der Tempelruinen. So erfreuen wir uns täglich an madigem Brot und fauligen Pilzen, an denen unsere Kinder erkranken. So schürfen wir in den Minen unsere Hände nach Gestein blutig, damit unsere Wohltäter sich Geschmeide bei den Zwergen herstellen können. Und ständig leben wir im Schutz der Eisorks, deren Wachsamkeit selbst das kleinste Anrempeln eines unachtsamen Trinkers bei einem Gelage aufspürt. Ab in den Kerker mit ihm, für unser aller Sicherheit ist gesorgt! Sind wir nicht glücklich, Brüder und Schwestern?«
    Nun hatte selbst der Dümmste begriffen, dass Akios Worte mehr als nur Gerede waren. Aus der Bevölkerung kamen erste Zurufe. Die meisten Stimmen verlangten jedoch weiterhin nach dem Ende der Rede und ihrem Essen. Lee hatte keine Zweifel mehr. Es war etwas Großes im Gange. Sie spürte es wie ein Grollen aus der Ferne. Akios Worte hatten etwas geweckt, was nicht nur in ihrem Herzen schlummerte.
    Die Eisorks reagierten nicht auf Akio und seine vier Gefährten in ihrer Mitte. Stumm und leblos wie Steine standen sie im Kreis um das Podium, als wären sie Verzierung. Mit einem Mal sah Lee klar: Was sie als peinliche Nachahmung der Dunkelmagierroben gehalten hatte, war in Wahrheit ein Täuschungsmanöver. Die Golems sahen Akio und seine Freunde in ihrer Verkleidung als Dunkelmagier! Deshalb ließen sie diese am Podium gewähren, wo niemand hindurfte, der kein Dunkelmagier war – oder so aussah. Ihr magisch veränderter Verstand konnte dies nicht erfassen.
    »Fräulein Kala, vielleicht sollten wir gehen?« Die raue Stimme des Mannes hinter Lee hatte einen wehleidigen Unterklang b ekommen. Sie spürte, wie sich Sernos Hand um ihre Taille gelockert hatte.
    Noch ein wenig. Lee würde geduldig den richtigen Moment abpassen. Die Unruhe, die mehr und mehr anstieg, konnte ihr nur behilflich sein.
    »Wir könnten auch woanders …«
    »Sei still!«, unterbrach Kala Serno barsch. »Ich muss mir diesen Lügner da vorne anhören, damit ich Vater alles berichten

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