Die Erben Der Flamme
vorhin bei dem Granitgemälde, wo sie den verborgenen Schalter gefunden hatte. Sie hatte sich gegen das Verlangen gesträubt, dieses Etwas in ihr freizulassen.
Jetzt nicht mehr. Jetzt, nachdem alles verloren war, gab es kein Zurück mehr.
Das Tanzen des Feuers, der zunehmende Rauch, der ihr um das Gesicht strich, das Knistern und Knacken von Holz – es erschien Lee, als würde sie sämtliche Dinge nicht mehr mit ihren Sinnen, sondern mit einem Gefühl wahrnehmen. Wie eine Kraft, die sich in ihrem Körper befand und nach außen griff. Mit geschlossenen Lidern konzentrierte Lee sich auf den Schutt, der ihr den Fluchtweg versperrte. Und zog daran. Sie spürte eine Bewegung von ihr nach außen gehen. Sie wusste, ohne zu sehen, wie ein Steinquader sich von den anderen löste und hinunter polterte. Ihr war schleierhaft, was sie getan hatte, nur dass sie es wieder tun musste!
Aber alle Gesten und Worte halfen nicht weiter, die Steine rührten sich nicht mehr. Lee schwankte. Ihr wurde einen Li dschlag lang schwarz vor Augen. Aber die Hitze empfand sie auf einmal angenehm. Beruhigend. Sie stellte sich vor, wie schön es wäre, sich einfach fallen zu lassen und ein wenig auszuruhen.
»Du kriegst mich nicht!« Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte Lee gegen den Drang an, sich hinzulegen. Sie lächelte dem Feuer um sie herum zu, das sie täuschen wollte. »Mich nicht.«
Beinahe von den Gewalten um sie herum eingeschlossen, löste Lee sich von allen Gedanken und Empfindungen. Durch geschlossene Augen erkannte sie ein Leuchten. Lee richtete sich auf und konzentrierte sich auf das verschüttete Tor. Das gelbe Licht wurde heller. Sie sah die Struktur der Steine, des Holzes und des Feuers, wie alles voneinander abhängig und miteinander verbunden war. Erneut war in ihr jene Regung gleich einer Kreatur, die sich anpirschte und herausbrechen wollte. Lee ließ es geschehen.
Ein merkwürdiges - doch angenehmes - Kribbeln ging durch ihre Finger. Sie öffnete die Augen. Grelles Gelb raubte ihr die Sicht. Strahlen befreiten sich aus ihren Händen! Wie zwei gelbe Lichtpfeile schossen sie aus den Inneren ihrer Handfläche. Der Aufprall erschütterte das Tor. Steine flogen davon als wären es Kissen und gaben den Ausgang frei. Wie ein Sog spürte Lee den Qualm mit der Luft hinausziehen. Sofort ließ sie sich mittragen und rannte auf das glühende Loch zu. Sie zog sich die Kapuze ins Gesicht und sprang durch die züngelnden Flammen ins Freie.
Kapitel 7
Eine Hitzewelle drückte sich gegen Lees Rücken, bevor der Tempel aus jahrhundertealtem Stein und Holz berstend zusamme nbrach. Sie rutschte zu Boden und blieb liegen, bis die letzten feurigen Tempelreste zu Boden niedergegangen waren. Als die Staubwolke sich vom Boden absetzte und zur Höhlendecke zog, hob Lee den Kopf. Wie erwartet, war das Obergeschoss des Tempels in sich zusammengefallen und nach unten gestürzt. Die einstige Ruine war nicht mehr. Sie hatte sich in ein brennendes Trümmerfeld verwandelt.
Lee brummte der Kopf, als würden Zwerge unablässig ihren Hammer dagegen schwingen. Noch immer funkelte das violette Licht über den Tempelruinen von Ab’Nahrim.
»Bei meinem fehlenden Auge. Du lebst!«
Sie sah den einäugigen Bettler aus einer Mulde in einer Seitengasse kriechen. Offenbar hatte er sich dort verstecken wollen. Er humpelte auf sie zu und reichte ihr eine Hand. Lee nahm die Hilfe gerne an. Der Mann wog bestimmt nicht viel mehr als sie selbst, schaffte es aber trotzdem, sie hochzuziehen. Lee entging nicht, wie der Alte sie von oben bis unten musterte, als sähe er sie zum ersten Mal.
Wenn ein Bettler von meinem Aussehen schockiert ist … Lee wollte nicht weiter darüber nachdenken.
»Mein Versteck ist groß genug für uns beide.« Er deutete auf die Senke, wo er gerade herausgeschlüpft war.
Die Frage, warum der Fremde so nett zu ihr war, ging in einem markerschütternden Schrei unter. Lee fuhr herum und machte eine Frau mit Kind aus, die an ihnen vorbeilief und in einer Gasse am Ende des Hofs verschwand. Lee hörte das rhythmische Stampfen, noch ehe sie erschienen. Sechs Eisorks brachen durch das Geröll einer einstigen Wand hindurch. Sie ließen ihre Blicke über den kargen Innenhof des Tempelviertels schweifen und blieben auf den brennenden Überbleibseln von Lees Tempelbehausung hängen.
Zwei Magier schlenderten hinter den Golems. Sofort sah Lee, dass es Spürhunde waren. Im Unterschied zu den anderen Dunke lmagiern trugen die Magiesucher graue
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