Die Erben Der Flamme
und nichts mehr sah. Sie zerrte an dem glitschigen Ding, das ihr wie ein nasser Lappen ins Gesicht geklatscht war. Ihre Hände fuhren durch eiskalten Stoff wie nasses Garn und verklebten sich darin.
»Wer ist denn da in meine Falle gelaufen?«
Lee hing in einem triefenden Netz, das wie eine durchlöcherte Wand in der Gasse aufgespannt war. Bald war sie durch ihre eigenen Bewegungen so verheddert, dass sie weder Arme noch Beine rühren konnte. Dann begann das Magienetz sich in Wasser au fzulösen. Lee glitt zu Boden. Sie war klatschnass und fror.
Tiron trat hinter einer Mauer hervor. »Deine Flucht wird dir einiges einbringen. Ich dachte an dreißig Peitschenhiebe – für den Anfang?«
Lee hielt seinem Blick stand. Wenn er dachte, ihr Angst machen zu können, täuschte er sich. Ein Schatten lag über ihr, Lee brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass sich ein Eisork hinter ihr befand. Sein eisiger Atem blies gegen ihren Rücken. Vor Kälte klapperten ihr die Zähne, doch Lava floss durch ihre Venen. Äußerlich wirkte sie gefasst, doch innerlich wüteten die Mächte in ihr.
Fianna erschien neben Tiron. Die beiden Spürhunde beobachteten sie unschlüssig.
»Was ist hier los?« Tiron war aufgebracht, Lee konnte aber ebenso Unsicherheit in seiner Stimme heraushören.
Fianna musterte sie eindringlich. Lee meinte zu sehen, wie die Magierin ihr zuzwinkerte. Dann sprach sie zu Tiron, den Blick nicht von ihr lassend: »Es war nichts. Ich war unachtsam, das ist alles. Das Mädchen ist magiefrei.«
Wovon redet sie? , fragte Lee sich und beäugte die ungewöhnliche Frau.
»Überlass das Lügen denen, die was davon verstehen.« Tirons Augen funkelten.
»Sie ist magiefrei!«, bekräftigte Fianna ihre Aussage.
»Das reicht!«
Halbherzig versuchte Lee, ihm zu entkommen. Tiron hatte jedoch rasch seine behandschuhte Hand um ihr Handgelenk gepackt. Der Spürhund zog Lee zu sich heran und schüttelte sie wie eine Puppe. So fest, als wollte er ihr die Arme herausreißen.
Tiron lachte. »Nur eine Ruinenratte!«
Durch den Schmerz hindurch, erkannte Lee Tirons gehässige Miene. Es machte ihm Spaß, sie zu quälen.
»Aufhören!« rief Fianna. »Ich werde das melden, Tiron.«
»Tue das.« Tiron hielt inne, ließ Lees Arm aber nicht frei. »Der Tag des Gottkönigs in Mu’Arak naht. Mit dem Ende unserer Novizenzeit enden auch alle Anklagepunkte. Also verpetze mich ruhig, Fianna. Vergiss dabei nur eines nicht: Auch du verlierst an diesem Tag deine Position.« Tirons Stimme wurde ein bedrohliches Flüstern. »Du solltest dir mich nicht zum Feind machen.«
Lee konnte sehen, wie Fianna um ihre Fassung kämpfte, doch hielt sie sich zurück.
»Jetzt zu dir.« Lee erschauderte, als das Weiß in Tirons Augen noch heller wurde. »Gleich werden wir wissen, wer hier wen belügt.«
Es war dasselbe Gefühl, wie es Lee vorhin bei Fianna erlebt hatte, nur brutaler. Tirons Aura griff nach der verborgenen Wahrheit in ihrem Inneren. Lee glaubte, eine schwarze Klaue zu sehen. Tiron krallte sich an ihre geistige Schutzwand und wollte sie zerbrechen. Lee konzentrierte sich auf ein Bild vor ihrem geistigen Auge: einen Lavastrom, der gegen alle Natur nicht ausbrach, sondern in den Vulkan einbrach. Ihr Shako um den Hals vibrierte und Tiron zerrte noch heftiger an ihrer geistigen Barriere. Lee fiel auf, wie leicht der Spürhund durch den Halsring ging, als wäre das Shako gar nicht vorhanden!
Tirons Aura durchdrang sie wie Gift. Lee stemmte sich dagegen. Ein feuriger Schleier hüllte Tirons Klaue ein und Lee verbrannte ihn aus ihren Gedanken. Der Spürhund keuchte auf.
Ein Fauchen entrang sich ihrer Kehle, wie Lee es noch nie von sich gehört hatte. Ihre Stimme war dunkel geworden, eine a ngesammelte Macht, die alle Tragödien des Tages mit einschloss und sich nun mit vernichtender Gewalt befreite. Rote Schlieren traten vor ihren Augen und Lee glaubte an ihren eigenen Worten zu zergehen.
»Lass los!«
Das Untier brach frei. Tiron jaulte auf, als er ruckartig seine Hand von ihrem Handgelenk zurückzog. Rauchend zerfiel sein Handschuh zu Asche. Darunter kam seine Hand zum Vorschein, gerötet und mit Brandblasen übersät. Fassungslos starrte er Lee an.
»Bei der Prüfung ist mir wohl ein Fehler unterlaufen«, sagte Fianna schwach. »Ich habe mich wohl getäuscht.«
Tiron bemerkte ihr vorgegaukeltes Schuldbekenntnis gar nicht. Er war völlig von Lee eingenommen. »Aber sie wurde bei der Geburt geprüft; wie alle anderen? Wie kann es
Weitere Kostenlose Bücher