Die Erben der Nacht 04 Dracas
Wien-Gloggnitzer-Eisenbahngesellschaft. Aber das ist es sicher nicht, was dich interessiert. Kommen wir also zurück
zu der so reizend anzusehenden Clarissa. Ich nehme an, sie ist eine der jüngsten Töchter Todescos.
Wie ich dir schon andeutete, glänzt Eduard von Todesco nicht durch seinen Intellekt. Seine sprachlichen Entgleisungen sind geradezu legendär und manch einem Journalisten eine stetige Quelle des Entzückens. Man kann sagen, dass bei dem Freiherr jede Verwendung eines Fremdwortes Glücksache ist.« Franz Leopold hielt inne und sah plötzlich nachdenklich drein.
»Wobei ich mich manchmal frage, ob der Freiherr dies nicht inzwischen absichtlich zelebriert, damit die Zeitungen etwas zu schreiben haben, und sich heimlich darüber amüsiert. Seine Gattin jedenfalls ist eine nicht nur schöne, sondern auch kunstsinnige und gebildete Dame mit guten Umgangsformen. Ich bin ihr bei einigen Gesellschaften begegnet. Sie führt einen eigenen Salon, der in den Kreisen der Finanzaristokratie sehr begehrt ist. Sonst noch Fragen?«
Luciano verneinte und dankte dem Dracas ein wenig steif. Er wollte sich schon abwenden, da griff Franz Leopold nach seinem Arm.
»Du wirst keine Dummheiten machen!«
Luciano wand sich aus seinem Griff. »Nein, werde ich nicht. Und wenn schon. Was würde es dich kümmern? Woher die plötzliche Sorge um mein Wohlergehen?«
»Gut, formulieren wir es anders. Du bist hier in der Obhut der Dracas und ich wünsche nicht, dass du meiner Familie Unannehmlichkeiten bereitest.«
Luciano schnaubte. »Ach, so ist das. Das passt schon eher. Nein, keine Sorge, ich werde den ach so fürsorglichen Dracas keine Schwierigkeiten machen! Und nun entschuldige, ich muss mich umkleiden und auch für dich wird es Zeit. Es wird sicher nicht gern gesehen, wenn wir zu spät zum Unterricht erscheinen.«
Und damit rauschte er davon. Franz Leopold sah ihm nach und starrte noch lange auf den leeren Türrahmen, durch den der Nosferas verschwunden war.
»Du hast keine Ahnung, worauf du dich einlässt«, murmelte er. Seine Miene verzerrte sich schmerzlich. »Denkst du, ich kann deine
Absicht nicht in deinen Gedanken lesen? Du Narr!« Franz Leopold fluchte leise. »Ich habe keine Lust, das Kindermädchen für dich zu spielen, Luciano, aber ich schwöre dir, ich werde es tun, wenn du mich dazu zwingst.«
»Franz Leopold, wo bleibst du?« Karl Philipp stürmte in den Salon und blieb dann unvermittelt stehen. »Du hast dich ja noch nicht einmal umgezogen! Willst du heute schwänzen?«
»Nein, ich bin aufgehalten worden. Geh schon mal vor. Ich beeile mich.«
Während Franz Leopold in sein Schlafgemach stürmte und sich von seinem Schatten Matthias beim Umkleiden helfen ließ, stand ihm die ganze Zeit ein süßes Mädchengesicht vor Augen, das ihn flehend aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, bis sein Blick brach und der Glanz in seinen Augen erlosch. Da lag sie sterbend in ihrem rosafarbenen Puppenkleid in seinen Armen. Und ihr Anblick würde ihn niemals verlassen.
KOTILLON UND WALZER
Der Unterricht begann wieder mit einer Fechtstunde. Sie wiederholten noch einmal die Schrittfolgen und die Grundhuten. Dann ging es weiter mit den Kunsthuten, die so seltsame Namen trugen wie Zornhut, langer oder hängender Ort, Schrankhut und Schlüssel. Nachdem sie die Bewegungen erst langsam und dann immer schneller geübt hatten, bestimmten dieses Mal die Fechtmeister die Paare. Alisa wusste nicht, ob sie darüber traurig oder erleichtert sein sollte. Sie erhielt Luciano als Partner. Ihre erste Erleichterung über den vermeintlich leichten Gegner verflog allerdings schnell. Voll Staunen schüttelte sie immer wieder den Kopf. Wie schnell und geschmeidig er sich bewegte! Und was für eine Begeisterung ihn antrieb. Er schien nicht müde zu werden, immer neue Angriffs-und Verteidigunssequenzen durchzuspielen und so lange zu üben,
bis die Abläufe leicht und flüssig wirkten. Die beiden Fechttrainer gingen von einem Paar zum anderen und kritisierten hart. Selbst Ivy musste sich einige Korrekturen gefallen lassen. Sie übte mit Sören, auf den der Tadel der Lehrmeister nur so herabprasselte. Alisa dagegen kam recht glimpflich davon und Luciano erhielt gar ein Lob. Stolz präsentierte er sein Schwert und strahlte Alisa an, die ihm den Erfolg von Herzen gönnte - auch wenn sie gewünscht hätte, ihre Fechtkunst würde ihr das gleiche Lob einbringen. Was sie dagegen furchtbar in Rage brachte, war Karl Philipp, der dieses Mal auf Rowena
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