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Die Erben der Nacht 04 Dracas

Die Erben der Nacht 04 Dracas

Titel: Die Erben der Nacht 04 Dracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schweikert Ulrike
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Kopf. »Nein, er versucht Luise zur Flucht zu überreden.«
    So einfach ging die Sache natürlich nicht aus, sonst wäre es kein Drama oder präziser gesagt »bürgerliches Trauerspiel«, wie es offiziell bezeichnet wurde. Die gefeierte Heldin dieses Abends war - unabhängig von ihrer Rolle - die Schauspielerin Charlotte Wolter, die die Lady Milford gab. Mit ihrer kräftigen Mezzosopranstimme und ihrem Sinn für Dramatik begeisterte sie das Haus.
    »Sie ist wunderbar!«, schwärmte Alisa.
    Franz Leopold nickte. »Die Wiener liegen der Wolter zu Füßen und lieben sie in ihren Rollen als tragische Heldin. Wie alle erfolgreichen Künstler ist sie auch ein wenig exzentrisch. Sie trägt nur selbst entworfene Kostüme!«
    Die Handlung nahm ihren dramatischen Lauf und auch denen, die das Stück noch nicht kannten, war klar, dass es in einer Katastrophe enden musste.
    »Die arme Luise wird sterben«, kommentierte Ivy mit einem Seufzen. »Und vermutlich auch ihr Ferdinand.«
    »Ja, und noch schlimmer, als man es jetzt ahnt. In seiner Wut
und unbegründeten Eifersucht vergiftet Ferdinand Luise und sich selbst«, verriet Alisa. Plötzlich bemerkte sie, dass Luciano mit seinen Gedanken nicht mehr bei dem Geschehen auf der Bühne war. Sein Blick suchte die gegenüberliegenden Logen ab, bis er an einer haften blieb und dort ungemein lange verharrte. Es wunderte Alisa nicht, auf den vorderen Plätzen die Damen von Gomperz und von Todesco zu erkennen. Täuschte sie sich oder galt die Aufmerksamkeit des Mädchens ebenfalls nicht dem Geschehen auf der Bühne? Nun hob sie kaum merklich ihren Fächer zum Gruß. Nein, wie unschicklich! Sie flirtete tatsächlich mit einem fremden Kavalier, der lediglich ihren Fächer aufgehoben hatte.
    Alisa schielte zu Luciano hinüber, der noch immer mit einem verzückten Lächeln zu dem Mädchen hinüberstarrte. Dabei musste Alisa zugeben, dass Clarissa ein ganz und gar reizendes Bild abgab. Ihr schmales Gesicht war regelmäßig geschnitten, die braunen Augen waren groß und ausdrucksvoll, die Lippen ein wenig herzförmig. Das lindgrüne Kleid saß wie angegossen und harmonierte gut mit dem kastanienfarbenen Haar, aus dessen kunstvoll aufgesteckter Frisur sich wie unabsichtlich gelöst ein paar Locken über der weißen Schulter ringelten.
    Vermutlich würden sie das Mädchen niemals wiedersehen und es bestand kein Grund zur Sorge, sagte sich Alisa und wandte sich wieder den sich dramatisch zuspitzenden Ereignissen auf der Bühne zu.
    Und so vergaß sie die Begebenheit und klatschte begeistert, als sich der Vorhang nach der letzten Szene schloss. Zu ihrer Verwunderung blieb er auch geschlossen und keiner der Darsteller ließ sich noch einmal blicken, um sich vor seinem Publikum zu verbeugen.
    »Das tun sie nie«, kommentierte Franz Leopold ihre Verwunderung. »Sie sind die persönlichen Schauspieler des Kaisers, von ihm engagiert und besoldet. Sie müssen vor dem Volk nicht ihr Haupt beugen.«
    »Seltsame Sitten habt ihr hier«, maulte Alisa, während sie ihre Loge verließen und langsam von der Menschenmenge nach draußen geschoben wurden.

    »Das ist ja unerträglich«, beschwerte sich Luciano. »Wenn das so weitergeht, dauert es eine Stunde, bis die letzten Theaterbesucher ins Freie gelangen. Die Gänge sind viel zu eng und verwinkelt und ich habe nirgends ein großes Foyer oder eine Wandelhalle gesehen, wo sich die Besucher in den Pausen erfrischen könnten. Die Treppe ist kaum geräumiger als eine Dienstbotenstiege. Wenn ich da an das Opernhaus in Paris zurückdenke!«
    Franz Leopold nickte. »Ja, es ist wirklich eine Schande, aber der Zustand währt nicht mehr lange. Das neue Burgtheater an der Ringstraße hinter dem Volksgarten ist fast fertig. Es kann nicht mehr lange dauern, bis es eingeweiht wird. Und dann reißen sie das alte Theater sicher nieder.«

    Die vier Erben machten sich auf den Heimweg. Dario und Matthias folgten in einigem Abstand. Ob sie die ganze Zeit auf dem Michaelerplatz vor dem Theater gewartet oder die Zeit genutzt hatten, sich frisches Blut zu besorgen, wussten ihre Schützlinge nicht. Vielleicht hatte sich ja auch hier auf dem Platz eine Gelegenheit ergeben, den Durst zu stillen. Immer wieder hielten Fiaker oder Nachtschwärmer schlenderten allein oder in kleinen Gruppen vorbei. Jedenfalls war das allein Sache der Servienten und keiner fragte danach.
    Die jungen Vampire plauderten fröhlich, nur Luciano war ein wenig schweigsam. Aber auch er bemerkte die Raben nicht, die

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