Die Erben der Nacht 04 Dracas
hinab.
Schließlich brach Alisa die Stille. »Hat es funktioniert? Sie sieht aus, als sei sie gestorben.«
Ivy nickte. »Clarissa ist tot und bleibt es auch. Doch bald schon beginnt sich ihr Körper zu wandeln und ihr neues Dasein als Vampir beginnt.« Sie sah zu Luciano, der vor Anspannung bebte. »Sie ist jetzt deine Servientin, die dir zu dienen und zu gehorchen hat.«
»Nein! Sie ist meine Liebe, der ich zu Füßen liege und der ich diene, solange ich auf dieser Erde bin!«, entgegnete er heftig.
Franz Leopold stöhnte. »Das wird kompliziert. Ich weiß nicht, ob es eine so gute Idee war, das zu tun.«
Ivy lächelte kläglich. »Ja, aber nun ist es zu spät und wir alle müssen damit zurechtkommen.«
»Was habt ihr euch nur dabei gedacht?« Hindrik stöhnte und sah auf das tote Mädchen herab.
»Wer ist sie? Sie kommt mir bekannt vor.«
»Ihr Name ist Clarissa von Todesco.«
»Die Tochter des Bankiers Eduard von Todesco, der im Palais gegenüber der Oper wohnt?« Luciano nickte kleinlaut.
Hindrik stöhnte noch lauter. Er lehnte sich nach hinten und ließ den Kopf an die Ziegelwand sinken. Sie befanden sich in dem mannshohen gewölbten Gang zwischen Hofgarten und Oper, der das Gebäude und seine zahlreichen Operngäste mit Frischluft versorgte. Hierher kam bestimmt kein Mensch. Ein anderer sicherer Ort in der Nähe des Palais, wohin sie die Leiche des Mädchens unbemerkt hätten bringen können, war ihnen auf die Schnelle nicht eingefallen. Das Palais Coburg kam nicht infrage. Noch wussten sie nicht, wie sie die unangenehmen Fragen beantworten konnten, die man ihnen unweigerlich stellen würde, ohne zugeben zu müssen, dass sie gegen das Verbot für junge Vampire verstoßen hatten, Menschenblut zu trinken, und noch dazu eine Unreine geschaffen hatten!
»Warum habt ihr euch nicht gleich an einer der Damen des alten Adels vergriffen oder gar ein Mitglied des Kaiserhauses gewandelt?«, schimpfte Hindrik. Matthias stand stumm neben ihm, doch dass ihm die Sache genauso wenig schmeckte, war ihm deutlich anzusehen. Er und Hindrik waren auf der Suche nach ihren Schützlingen gerade im rechten Moment auf ihrem Weg zum Eingang des Tunnels aufgetaucht - oder sollte man sagen, im schlechtesten Moment?
»Nun regt euch nicht auf«, versuchte Franz Leopold die Servienten zu beschwichtigen. »Es wird ein wenig Aufruhr geben, na und? Die Zeitungen werden über das rätselhafte Verschwinden
berichten und die Kriminalpolizei wird sich fragen, ob ein Verbrechen geschehen oder ob das Fräulein mit einem Liebhaber über alle Berge ist. Aber bald schon wird es wieder andere Meldungen geben, die die Gemüter der Wiener erhitzen und zu einem ordentlichen Klatsch taugen. Die Polizei wird ihre Akten schließen, wenn sie keine Leiche finden und somit gar nicht bewiesen ist, dass es sich um ein Verbrechen handelt.«
»Jedenfalls sollte unsere junge Servientin davon Abstand nehmen, Anstandsbesuche bei ihrer Familie zu machen«, meinte Hindrik, den Blick auf das Antlitz gerichtet, das - kalt und tot - eine seltsam überirdische Schönheit ausstrahlte. »Das könnte sonst zu Verwicklungen führen.«
Wieder antwortete ihm Franz Leopold. »In der ersten Zeit muss sie eh unter Aufsicht stehen, bis sie sich an ihr neues Dasein gewöhnt hat. Und dann geht sie mit Luciano nach Rom, wo sie keiner kennt.«
»Wenn sie überhaupt mitkommen möchte«, meinte Luciano kläglich.
»Was? Ich denke, du bist für sie die große Liebe, für die sie alles tun würde und der sie bis ans Ende der Welt folgen wollte!«, rief Franz Leopold.
»Das hat sie gesagt, aber ich weiß nicht, ob das die Wandlung zu einem Vampir einschließt. Wie hätte ich ihr gestehen können, was ich bin?«
»Ja, das wird ein Schock für sie sein, wenn sie das erste Mal erwacht, aber sie wird darüber hinwegkommen und dir verzeihen«, prophezeite Alisa.
»Und außerdem kommt es nicht darauf an. Du hast sie geschaffen und sie ist deine Servientin, solange du sie haben willst. Und wenn du ihrer überdrüssig geworden bist, kannst du sie einem anderen Nosferas überlassen.«
Luciano funkelte Franz Leopold an. »Ach, das ist deine Vorstellung von Liebe? Gut zu wissen, nachdem wir nun ja auch erfahren durften, was du unter Freundschaft verstehst!«
Franz Leopold spürte, wie scharf der Pfeil traf. Der Vorwurf war berechtigt und dennoch konnte es der Dracas nicht über sich
bringen, um Verzeihung zu bitten. Er versteifte sich und setzte die hochmütige Miene auf, die Alisa
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