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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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aufhören würde, nach ihr zu suchen.
    D ORIANA
    Die Gondel glitt über das glatte Wasser des Kanals und steuerte dann auf die Lagune hinaus. Nicoletta kauerte am Bug und starrte über das Wasser, während Tammo auf der kleinen Plattform am Heck stand und den Riemen gleichmäßig durch das Wasser zog. Inzwischen hatte er den Dreh raus, und er schaffte es, das lange, schlanke Boot ohne Schlingern geradeaus durch das Wasser zu treiben. Selbst als sie weiter draußen die unruhigen Wellen erfassten und das Boot hin und her warfen, steuerte er es zügig voran.
    Nicoletta warf ihm einen Blick zu, den er nicht zu deuten wusste. »Du machst das sehr gut. Es ist nicht einfach, eine Gondel zu steuern. Viele Gondolieri müssen lange üben, bis es ihnen in Fleisch und Blut übergeht. Ich habe noch keinen Fremden gesehen, der es in so kurzer Zeit erlernt hat, ja, dem es überhaupt gelang.«
    Tammo lächelte. »Ich bin kein Mensch. Wir Vampire verfügen über ganz andere Kräfte.«
    Nicoletta zuckte mit den Schultern. »Auch uns werden allerlei Kräfte nachgesagt. Wir sind schneller und geschickter als normale Menschen und sehen in der Dunkelheit besser als sie, und dennoch sind wir nicht allwissend, nicht unbesiegbar und nicht unverwundbar.«
    »Der Mythos des Geheimnisvollen und Unbegreifbaren ist bereits der halbe Sieg, denn er jagt den Menschen Furcht ein und lähmt ihren Verstand.«
    »Der Mythos der Vampire oder der Larvalesti ?«
    »Vielleicht trifft es auf uns beide zu.«
    Nicoletta nickte. »Du musst dich weiter rechts halten. Wir müssen an dieser Insel vorbei, die du dort vorne erkennen kannst. Auf der anderen Seite ist kein Durchkommen. Die Lagune ist tückisch, wenn man sie nicht kennt und ihre geheimen Zeichen nicht lesen kann. Dort drüben würden wir im Schlick stecken bleiben. Das hört sich harmloser an, als es ist. Du kannst das Boot nicht mehr bewegen, deine Beine fänden aber auch keinen Grund, wenn du aussteigen würdest, um es wieder ins Wasser zu schieben. Nicht einmal schwimmen kann man in dem Gewirr aus Algen und Tang, das bis an die Oberfläche reicht. Siehst du, wie dort selbst das Licht des Mondes verschlungen wird?«
    Tammo sah, was sie meinte. Die bewegte Oberfläche, über die das Mondlicht von Welle zu Welle sprang, wurde unvermittelt schwarz. Das Wasser dort schien rau wie Fels.
    Tammo richtete die Spitze der Gondel mit dem schweren Beschlag, der das Gewicht des Gondoliere am Heck ausgleichen musste, ein wenig weiter nach Westen aus. Ferro nannte man den Metallschweif, dessen oberer Teil in seiner Silhouette an die Kopfbedeckung des Dogen erinnern sollte. Die sechs hervorspringenden Zacken symbolisierten die sechs Sestieri der Stadt, erzählte ihm Nicoletta. Der Zacken, der nach hinten gerichtet war, stellte die Giudecca dar, die sie bereits umrundet hatten. Tammo nickte. Nicht, dass ihn das wirklich interessierte. Er war nur froh, dass Nicoletta immer wieder die Stille durchbrach, die sich so bedrückend zwischen ihnen ausbreitete. Tammo fühlte sich seltsam befangen. Er zermarterte sich den Kopf, was er mit ihr reden sollte, doch sein Gehirn schien völlig leer. Er argwöhnte, sie habe irgendeinen Zauber über ihn geworfen. Wie sonst sollte er sich das erklären? Er hätte sie nur immerzu anstarren mögen und sich an den warmen Wogen erfreuen, die durch seinen Körper schwappten. Zum Glück hielt sie ihren Blick meist nach vorn gerichtet und merkte nicht, dass er seine Augen nicht von ihr abwenden konnte. Oder etwa doch? Es sah, wie sie die Schultern hochzog und den Kopf schief legte, so als könne sie seinen Blick wie eine zärtliche Berührung an sich herabgleiten spüren.
    Allein der Gedanke sandte eine heiße Woge durch seinen ganzen Körper, und Tammo zwang sich, den Blick wieder auf ihren Fahrtweg durch die Lagune zu richten, um sich ein wenig abzukühlen.
    Je länger sie so durch die Nacht glitten, desto öfter fragte er sich, ob er richtig gehandelt hatte. Er dachte an Alisa. Ob sie sich Sorgen um ihn machte oder eher böse auf ihn war?
    Sie war sauer. Richtig sauer! Davon war Tammo überzeugt. Es war ihm, als könne er sie vor Wut schnauben hören.
    Und die anderen?
    Hindrik würde den Kopf über seinen Schützling schütteln und denken, er habe es wieder einmal verbockt, weil er zu jung und unreif war. Er würde sich Vorwürfe machen, nicht auf ihn aufgepasst zu haben.
    Was die Dracas dachten, wollte er sich lieber nicht vorstellen, konnte aber nicht verhindern, dass Anna Christinas

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