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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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angelogen! Du weißt gar nicht, wo sie ist? Wer hat sie dann weggebracht? Wer hält sie gefangen? Und sage nun nicht, du hättest sie freigelassen, denn dann wäre sie längst zu uns zurückgekehrt. Wir haben den Palazzo Dario jede Nacht beobachtet. Sie ist nicht gekommen!«
    Nicoletta schüttelte den Kopf. »Verzeih mir. Ich wollte dich nicht täuschen, aber ich musste dich dazu bringen, mich freizulassen. Ich kann dich nicht zu Clarissa bringen. Nicht, weil ich nicht weiß, wo sie ist. Es stimmt, was ich dir erzählt habe. Ich habe sie in jener Nacht befreit und fortgebracht. Und es stimmt auch, dass sie sich auf einer der Inseln hier in der Lagune aufhält, wo mein Vater und die anderen sie nicht suchen werden.«
    Ihr Blick huschte über Tammos Schultern hinweg, wo westlich von ihnen eine flache Insel zu sehen war, auf der sich ein Gebäudekomplex mit einer Kirche erhob.
    »Ich halte sie nicht gefangen. Sie ist frei, zu gehen, wohin sie will.«
    »Ach, und warum kehrt sie dann nicht zu uns zurück?« Er stutzte. »Weil sie nicht kann!«, ergänzte er langsam. »Sie ist eine Unreine, die sich nicht beliebig in eine Fledermaus oder eine Möwe wandeln kann, um über das Wasser zu fliegen.«
    »Es ist nicht das Wasser, das sie von euch fernhält«, sagte Nicoletta leise.
    »Was ist es dann? Warum bringst du mich nicht einfach zu ihr?«
    »Weil sie es nicht will.« Er konnte ihre Worte kaum hören, so leise sprach sie.
    »Was?«
    »Es ist Clarissas Entscheidung.«
    »Das kann nicht sein!«
    Nicoletta nickte mit einem Ausdruck, den er nicht zu deuten verstand. Es lag tiefe Traurigkeit darin, aber auch so etwas wie Verzweiflung oder Schuld?
    »Sie will nicht zu euch zurück«, rief sie laut und ballte die Fäuste. »Sie will ihr Dasein als Vampir beenden und ich kann sie nicht daran hindern. Ich habe sie an einen Ort gebracht, wo sie in Ruhe über ihren Entschluss nachdenken kann. Doch sie muss die Entscheidung selbst treffen. Wenn sie zu euch will, werde ich sie zurückbringen. Das schwöre ich!«
    Tammo starrte sie an. Er war so wütend. Sie hatte ihn hinters Licht geführt. Von Anfang an hatte sie nur ihre Freiheit im Sinn gehabt und wollte ihn gar nicht zu Clarissa führen. Wie hatte er auf dieses kleine Mädchen reinfallen können?
    Das überaus schöne Mädchen!
    Dummes Zeug! Was interessierte ihn das?
    Diese Augen! Dieser Mund! Er war eine einzige Einladung, ihn zu küssen.
    Jetzt war es aber genug!
    »Ich glaube dir kein Wort. Du bringst mich sofort zu Clarissa. Soll sie es mir ins Gesicht sagen, dass sie Luciano verlassen will. So etwas würde sie nie tun!«
    Seine Stimme klang fest und voller Überzeugung, doch in seinen Gedanken erhoben sich Zweifel. Die Beziehung zwischen dem Wiener Mädchen und dem Nosferas war bislang nicht gerade problemlos verlaufen. Sie liebten einander, zweifellos, und dennoch stürzten sie sich von einer Krise in die nächste. Es erinnerte Tammo ein wenig an Nicolettas Ängste, die sie ihm vorhin auf ihrer Fahrt eingestanden hatte, wobei es in Clarissas Fall nicht daran lag, dass sie eine Vampirin, sondern dass sie eine unreine Vampirin war. Egal, die Streitpunkte waren dieselben. Clarissa war es bei den Nosferas nicht gestattet, so zu leben, wie sie es wollte. Hatte sie ihre Entführung tatsächlich dazu genutzt, Luciano zu verlassen? Wollte sie wirklich ihrem Dasein als Vampir ein Ende setzen?
    Das wollte und durfte Tammo nicht zulassen. Er griff nach Nicolettas Arm.
    »Wir fahren jetzt sofort zu Clarissa. Wenn ich es nicht aus ihrem eigenen Mund höre, glaube ich es nicht!«
    »Zu spät«, hauchte Nicoletta.
    Tammo spürte, dass in diesem Augenblick die Sonne aufging. Die Schwäche überfiel ihn mit einer Macht, der er früher nichts entgegenzusetzen gehabt hatte. Doch auch er war in London bei den Vyrad gewesen. Auch er hatte gelernt, gegen den Ruf der Sonne anzugehen. Er sammelte seine Kräfte und konzentrierte sich.
    Nicolettas Augen weiteten sich. »Die Sonne«, stotterte sie. »Sie ist aufgegangen.«
    »Ja und?«, erwiderte Tammo barsch. Er hörte selbst, dass seine Stimme ein wenig schleppend klang, doch er hielt sich noch immer aufrecht. Nicolettas lange schwarze Locken schimmerten im heller werdenden Licht. Ein Hauch von Feuer huschte über ihr Haar und blendete ihn, dass er die Augen zusammenkneifen wollte, aber er konnte den Blick nicht abwenden.
    »Du bist ein Vampir«, rief sie, und er hörte ihr Entsetzen. »Du müsstest jetzt in tiefen Schlaf fallen.«
    Ihre Rechnung

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