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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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weiter gegen den Nachthimmel ausmachen. Wie geschickt sie sich auf den glatten Ziegeln bewegten. Wie leichtfüßig sie liefen. Es schienen eher Vampire als Menschen zu sein, wäre da nicht ganz deutlich die warme Aura zu sehen.
    Die Dracas ließen sich wieder ein wenig zurückfallen und warteten einige Augenblicke, ehe sie zum nächsten Dach wechselten. Plötzlich stöhnte Luciano in ihrem Geist auf.
    Was gibt es?
    Ein Kanal. Sie laufen auf einen Kanal zu, und ich denke, sie haben vor, hinüberzugleiten.
    Wie breit ist er?, erkundigte sich Leo. Können wir da rüberspringen?
    Luciano zögerte. Ich weiß nicht so recht. Schwer zu sagen. Vielleicht zehn Schritt? Nein, wenn ihr noch ein wenig nach links geht, weniger. Acht, würde ich sagen.
    Das ist kein Problem, behauptete Leo und fügte dann leiser hinzu: Jedenfalls nicht für mich.
    Er sah sich nach Anna Christina um und ließ seinen Blick zu ihren Röcken herabwandern.
    »Mach dir mal um mich keine Gedanken.«
    »Acht Meter mit diesem Tüllkram um die Beine?«
    »Ich muss ihn eben raffen. Ich meine unanständig hoch! Wenn du dich also um deinen Kram kümmern und deinen Blick auf unsere Vermummten richten würdest? Verdammt, spring!«
    Leo sah, wie sie aus ihren Schuhen schlüpfte und sie neben einem der trichterförmigen Kamine stehen ließ. Sie seufzte und gönnte den beiden edelsteinverzierten Ballschuhen einen bedauernden Abschiedsblick.
    »Ich werde mir wohl neue besorgen müssen«, hörte Leo sie murmeln, während er seine Schritte beschleunigte und dann mit einem eleganten Sprung den Kanal überquerte.
    Trotz ihrer Anweisung wandte er sich um, als sie über den Abgrund schnellte, griff nach ihrem Arm und half ihr vollends aufs Dach.
    »Danke«, sagte sie knapp, bückte sich und zerriss mit einem Ruck Rock und Unterrock bis hinauf zu den Oberschenkeln. »Weiter! Wo sind sie?«
    Luciano gab ihnen Anweisungen und sie folgten ihnen nun über die Dächer nach Norden. Zu ihrer Linken floss der Kanal, den sie übersprungen hatten. Auf dieselbe Weise mussten sie noch zwei Gassen überqueren, doch diese waren nicht besonders breit. Dann aber gelangten sie an eine Straße, die deutlich breiter war als der Kanal. Die Strada Nuova war eine Schneise, die sich fast gerade endlos in beide Richtungen zog und irgendwie nicht hierher zu gehören schien. Sie war wie eine tiefe Wunde, die der alten Stadt mit Gewalt zugefügt worden war. Ein Schwertstreich Napoleons, der auch in Venedig eine Art Champs-Élysée wollte? Dass er keine Rücksicht gekannt hatte, wusste Leo. Der Imperator hatte auch, ohne mit der Wimper zu zucken, die alte Kirche auf der Westseite des Markusplatzes abreißen und sich einen Palastflügel bauen lassen. Doch das war jetzt nicht das, was ihn interessierte. Viel wichtiger war, wie sie dort hinüberkamen, ohne wie Alisa einen schmerzhaften Sturz in die Tiefe zu riskieren.
    »Nein, das schaffen wir nicht!«, sagte er bestimmt, bevor Anna Christina auch nur den Mund aufmachen konnte.
    Sie sind schon hinübergesegelt und laufen nun weiter nach Norden, meldete Luciano. Leo seufzte.
    »Wir müssen uns wohl eine Treppe suchen und die Straße unten überqueren. Solange Luciano sie im Blick hat, werden wir sie nicht verlieren.«
    Anna Christina schüttelte störrisch den Kopf. »Ich werde nicht in noch einen schmutzigen Dachboden kriechen und treppab treppauf laufen.«
    »Nein? Dann bleibst du eben hier oder kehrst zu unserem Versteck zurück. Mir ist das egal«, fuhr Leo seine Cousine entrüstet an. »Ich jedenfalls werde alles tun, um Clarissa aufzuspüren  – auch wenn sie nur eine Unreine ist, das ist mir egal. Sie ist unsere Freundin.«
    »Wie rührend«, spottete Anna Christina. Sie warf Maske und Umhang ab, während ihre Gestalt sich in wirbelnde Nebel auflöste.
    Leo starrte perplex auf das Dach herab, auf dem nun ein Falke mit wunderschönem Gefieder saß.
    »Du kannst dich trotz des Pulvers wandeln?«
    Ich habe es nicht eingeatmet, erklärte ihm der Falke. Ich habe vorgesorgt und mir Gaze in die Nase gesteckt. Wir wussten, dass wir keine Witterung aufnehmen können. Außerdem habe ich im Palazzo dafür gesorgt, ihrem Pulver möglichst fernzubleiben.
    Du bist uns einen Schritt voraus, ich bitte um Verzeihung, werte Cousine. Aber warum hast du uns das nicht gesagt?
    Ihr seid doch selber erwachsen, gab sie zurück, dann breitete sie die Flügel aus und erhob sich elegant in die Luft, um der Fledermaus Gesellschaft zu leisten. Leo starrte ihr nach. Warum

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