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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Stück näher und betrachtete das Arrangement schweigend. Es war ein riesiger, offener Sarg aus schwarzem Ebenholz, mit weißem Samt ausgeschlagen. Darüber hatte er einen schwarzen Baldachin drapiert. Ein Kissen und eine dicke Decke zeigten, dass Erik den Sarg wirklich als Bett benutzte.
    »Nun, gefällt dir mein Lager?«, fragte er und sah sie herausfordernd an.
    Ivy drehte sich zu ihm um und lächelte ihn an. »Wir haben mehr gemeinsam, als ich dachte. Auch ich schlafe in einem Sarg, wenn auch nicht in einem solch prächtigen!«
    Erik sah sie verdutzt an, dann lachte er leise. »Du bist ein bemerkenswertes Mädchen. Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie du heißt, irische Vampirin mit dem Silberhaar.«
    »Ivy-Máire de Lycana«, antwortete sie und verbeugte sich, die Handflächen an die Brust gelegt. »Meine Freunde nennen mich Ivy.«
    »Ich heiße Erik und habe keine Freunde, die mich bei meinem Namen nennen.«
    »Keine Freunde? Keine Familie?«
    »Nein!« Er zögerte. »Vielleicht könnte ich Nadir als eine Art Freund betrachten, doch ich lasse ihn nicht hier herunter. Er überwacht
mich - oder glaubt zumindest, er könnte mich überwachen.« Erik lachte bitter.
    »Das klingt nicht nach einem Freund.«
    »Er hat mir das Leben gerettet und ließ mich dafür schwören, keine Morde mehr zu begehen. Ich versprach, nur noch in Notwehr zu töten. Und nun meint er, mich durch seine Anwesenheit in Paris ständig an mein Versprechen erinnern zu müssen. Vermutlich will er selbst den Dolch gegen mich erheben, sollte ich dagegen verstoßen.«
    Ivy ging durch das Zimmer und betrachtete die Details, die für einen guten, aber auch kostspieligen Geschmack sprachen: die silbernen Kerzenleuchter und der Lüster, die feinen Stoffe, die über die Sessel drapiert waren, die alten Bilderrahmen, in denen architektonische Zeichnungen steckten. Eine große chinesische Bodenvase, eine gläserne Vitrine mit allerlei Kostbarkeiten, unter anderem ein gebogener Dolch, der mit Juwelen besetzt war, und einige Schmuckstücke, die alt und wertvoll wirkten, aber auch irgendwie fremdartig.
    »Diese Kleinode stammen nicht von hier, nicht wahr?«
    Erik schüttelte den Kopf. »Ich habe sie aus Persien mitgebracht. Und die Gegenstände dort drüben sind aus Russland.«
    »Was macht man mit dieser großen Kanne?«, fragte Ivy und bewunderte die feine Silberarbeit.
    »Das ist ein Samowar, ein Wasserkocher. Mit dem heißen Wasser wird dann der starke Tee in der kleinen Kanne aufgegossen und verdünnt. Die schönsten Samoware werden in der Stadt Tula gefertigt. Ich nehme an, du möchtest keinen Tee?«
    Ivy schüttelte den Kopf. »Nein, wie du vermutlich weißt, kann ich nur Blut zu mir nehmen.« Erik neigte den Kopf, sagte aber nichts.
    »Du bist weit herumgekommen. Wirst du Paris auch bald den Rücken kehren?«
    Erik schüttelte den Kopf. »Nicht wenn man mich nicht dazu zwingt. Es war mir bisher nur nicht vergönnt, mich dauerhaft niederzulassen. Aber hier bin ich meinen Wurzeln wieder nahe. In Frankreich bin ich geboren. Und hier will ich bleiben.«
    Ivys Blick wanderte weiter durch den Raum. Rechts neben dem Podest mit dem Sarg führte eine Tür in ein weiteres Zimmer.

    »Darf ich?«
    Er zögerte, dann jedoch ging er ihr voran. Der Raum strahlte eine völlig andere Atmosphäre aus. War das große Gemach ein Ausdruck von Exzentrik und dem Bedürfnis nach Luxus, fand sich in diesem Zimmer gediegene Bürgerlichkeit wieder. Das massive Bett, die soliden Leinenbezüge, die Kommode, der Waschtisch mit seinem ovalen Spiegel, eine Truhe und ein Schrank. Die Teppiche schienen französisch zu sein, nicht wie die im anderen Zimmer, die die verschlungenen Muster und die Farbenpracht des Orients widerspiegelten. Über einem Stuhl lag ein Damenkleid von guter Qualität, das mit seiner für eine Krinoline bestimmten Rockweite bestimmt schon zwanzig Jahre aus der Mode war. Der passende Hut hing an der Rückenlehne. Das Zimmer vermittelte den Eindruck, als würde die Dame, die es bewohnte, jeden Augenblick zurückkehren, eines der Büchlein in die Hand nehmen, die auf dem Nachttisch lagen, oder sich für das Abendessen im Kreise der Familie umziehen. Nur das schwarze Schleiertuch, das den Spiegel verhängte, störte das Bild. Ivy wandte sich um und sah Erik fragend an.
    »Es ist mein Erbe, das einzige, das ich aus dem Haus meiner Mutter mitgenommen habe«, erklärte er in schroffem Ton.
    »Dann war es das Zimmer deiner Mutter?«
    »Ja, in diesem Bett ist sie

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