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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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in den Gängen einsammeln.«
    »Ivy hat sich nicht verirrt!«, knurrte Niall. Plötzlich packte er Alisa an ihrem Kittel. »Und das weißt du auch ganz genau, nicht wahr? Sag mir, was sie vorhat.«
    Alisa versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, und mimte Empörung. »Ich weiß gar nichts!«
    »Nein? Du willst mir sagen, sie ist gegangen, ohne ihre Freunde einzuweihen?«
    »Genau das hat sie getan«, antwortete Alisa schlicht, und Niall schien zu spüren, dass ihre Enttäuschung echt war. Er ließ sie los und wechselte einen Blick mit Bridget.
    »Ich glaube dir. Umso wichtiger ist es, dass ich mit Sébastien spreche. Also halte mich nicht länger auf.«
    Franz Leopold und Luciano, die die Szene beobachtet hatten, rückten so unauffällig wie möglich an Sébastien heran, um mitzubekommen, was er entschied.
    »Wir warten, bis Jolanda und Gaston mit den restlichen Erben zurück sind. Dann können wir uns aufteilen. Ich führe euch auf eurer Suche nach Ivy und dem Wolf, während die anderen mit Gaston und Jolanda zum Val de Grâce zurückkehren.«
    Niall und Bridget waren nicht einverstanden, doch sie scheuten sich auch, sich allein ins Labyrinth der Gänge zu wagen. So schritt Niall wie ein gefangenes Tier auf und ab und wartete ungeduldig auf die verspäteten Rückkehrer. Bridget dagegen schien wie erstarrt. Alisa, Luciano und Franz Leopold postierten sich in ihrer Nähe. Sie würden sich unter keinen Umständen zurückschicken lassen! Sie würden die beiden Lycana und die anderen auf ihrer Suche nach Ivy und Seymour begleiten!

    Ivy und Seymour folgten Erik durch die gewölbten Gänge. Er trug die Blendlaterne, deren Strahl einen Lichtstreif aus der Finsternis schnitt und den Weg vor ihnen erhellte. Drumherum blieb es dunkel. Erik
drehte sich nicht einmal um, um zu sehen, ob sie ihm folgte. Entweder spürte er ihre Anwesenheit, oder er war sich sicher, dass sie es sich nicht anders überlegen würde. Warum auch? Ihr Interesse an ihm war geweckt, seit sie ihn das erste Mal erblickt hatte, und so etwas wie Angst, die einen Menschen vielleicht hätte zögern lassen, kannte sie nicht. Ja, es erstaunte sie eher, dass er, der trotz allem nur ein Mensch war, keinerlei Furcht in Gesellschaft zweier Geschöpfe der Nacht empfand, die nur allzu leicht sein Leben auslöschen konnten.
    Dachte er allen Ernstes, er hätte gegen sie eine Chance? War er während seiner langen Isolation so überheblich oder weltfremd geworden, dass er sich selbst für einen großen Magier hielt, ein Phantom, das keiner fassen und dem keiner etwas anhaben konnte? Oder fürchtete er den Tod nicht? Ja, trieb ihn vielleicht Todessehnsucht, und hoffte er, Ivy oder Seymour würden ihn von seinem einsamen Dasein erlösen? Oder vertraute er ihr einfach? Die dritte Möglichkeit rührte sie. Ja, er konnte ihr vertrauen. Sie würde nichts tun, das ihm schadete.
    Nun werde nicht sentimental!, hörte sie Seymours Gedanken, der sich wieder einmal unaufgefordert ihrem Geist genähert hatte. Spürst du es? Die Luft wird immer feuchter. Hat er nicht von einem See gesprochen? Wie kann die Oper auf einem See errichtet worden sein?
    Diese Frage stellte Ivy, als sie am Ufer standen und über die schwarze Oberfläche blickten, die sich glatt wie ein Spiegel vor ihnen ausbreitete.
    Erik lachte. »Nein, so war es natürlich nicht. Den See gab es zuvor nicht. Als sie anfingen, die cuve, die Grube für die neue Oper, auszuheben, durchstießen sie eine Wasser führende Schicht. Und damit meine ich nicht die üblichen Klüfte und Risse, aus denen ein wenig Wasser rinnt. Es war wohl ein unterirdischer Nebenarm der Seine. Die Grube füllte sich innerhalb weniger Stunden. Ich sah die Fundamente in sich zusammenstürzen und alarmierte Garnier, der sofort angelaufen kam.«
    »Du hast mit Garnier zusammengearbeitet?«
    »Ja, er war in meinem Leben einer der wenigen Menschen, die mir und meinen Fähigkeiten Vertrauen geschenkt haben. Ich konnte bei
vielen seiner Entwürfe eigene Ideen einbringen und bei den Bauarbeiten selbst Hand anlegen. Natürlich blieb ich stets im Hintergrund. Es ist seine Oper und ihm gebührt der Ruhm.«
    »Du bist ein Baumeister?«, fragte Ivy, während Erik ein kleines Boot aus dem Nichts zu holen schien und ihr bedeutete einzusteigen. Sie ließ sich auf die schmale Holzbank nieder, Seymour sprang an Bord, während Erik nach den Rudern griff.
    »Bereits als Kind habe ich mich mit den Zeichnungen und Berechnungen meines Großvaters und meines Vaters

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