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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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vielleicht als Vertrauensbruch deuten. Er ist in seinem Leben schon so oft hintergangen und enttäuscht worden. Ich müsste ihn erst fragen …«
    Luciano schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Ich fasse es nicht! Habe ich gerade richtig gehört, dass Ivy vorhat, sich noch öfter mit diesem Phantom zu treffen?«
    »Ja, und offensichtlich nicht, um ihm Hinweise abzuringen, die den Pyras hilfreich sein könnten«, ergänzte Franz Leopold.
    Ivy wusste nicht, was sie ihren Freunden antworten sollte. Da waren so viele widersprüchliche Gefühle in ihr, die sie selbst erst einmal ordnen musste. Es war ganz anders als das, was sie für Franz Leopold empfand, dennoch fühlte sie sich zu diesem ungewöhnlichen Menschen hingezogen und ahnte, dass er ihr noch viel geben konnte. Ivy war erleichtert, als nun Sébastien zu ihnen aufschloss und sie von ihren Freunden trennte, sodass sie um eine Antwort herumkam - vorläufig zumindest. Sie erzählte dem Pyras, was sie erfahren hatte, der daraufhin erklärte, er werde gleich nach ihrer Rückkehr
mit Seigneur Lucien sprechen. Für heute Nacht war es zu spät, um noch zum Jardin des Plantes aufzubrechen, doch sobald an diesem Abend die Dunkelheit hereinbrach, würden sie sich auf den Weg machen. Ivy nahm sich vor, dass dies nicht ohne sie und ihre Freunde geschehen würde!
    »Ich weiß nicht, ob man sich auf die Worte dieses Menschen verlassen kann, der sich hinter einer Maske verbirgt, aber es schadet nichts, dem Vorschlag nachzugehen«, brummte Sébastien ein wenig abfällig.
    Es fiel Ivy schwer, sich nicht sofort zu Eriks Verteidigung aufzuschwingen, aber sie schwieg. Sie hätte dem Phantom keinen Gefallen erwiesen und sich selbst vermutlich auch nicht. Sie konnte nicht hoffen, bei den Pyras Verständnis zu finden.
    Klug gedacht , mischte sich Seymour in ihre Gedanken ein, der verdächtig lange geschwiegen hatte. Ja, jetzt da sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass er schon in Eriks Versteck ungewöhnlich still gewesen war.
    Ach, das fällt dir doch noch auf?, kommentierte er sarkastisch.
    »Du darfst mir gerne deine Meinung über Erik sagen«, forderte Ivy den Wolf auf.
    Wie großzügig.
    »Nun sei nicht kindisch. Was hältst du von ihm?«
    Seymour schwieg lange, sodass Ivy schon glaubte, er würde ihr nicht antworten, doch anscheinend dachte er ernsthaft über das Phantom und ihre Begegnung nach.
    Er gleicht einem Pulverfass, an dem eine Lunte schwelt. Nein, fall nicht gleich über mich her und bezichtige mich der Eifersucht und Ungerechtigkeit. Es ist wahr und du weißt es. Er versteckt hinter seiner Maske nicht nur einen körperlichen Makel, er versucht, eine zutiefst verwundete Seele zu verbergen. Oh ja, seine Talente und sein Wissen sind für einen Menschen erstaunlich, und er ist sicher mehr als einen interessierten Blick wert, doch ich sage dir, die Lunte brennt und das Pulver wird irgendwann explodieren.
    »Wenn es nicht jemandem gelingt, die Lunte rechtzeitig zu löschen«, sagte Ivy leise.
    Du meinst, du seist dafür auserwählt? Wenn du nicht über so viel Stärke
und Erfahrung verfügen würdest, müsste ich mir Sorgen machen. Bedenke, wer tief verletzt und gequält wurde, neigt dazu, dies auch anderen Wesen anzutun.
    »Du hast es also auch in seinen Gedanken gelesen?« Ivy fühlte tiefe Traurigkeit. »Die eigene Mutter wollte ihn nicht ansehen oder berühren und dabei hätte ein einziger Kuss vielleicht eine Seele retten und vor Verbitterung bewahren können. Stattdessen zwang sie ihn, die Maske zu tragen.«
    Es war auch zu seinem Schutz.
    »Ja, ich weiß, die Menschen, die sein wahres Gesicht zu sehen bekamen, haben ihn entweder verfolgt oder sich durch seine Zurschaustellung zu bereichern versucht.«
    Der Wolf schüttelte den Kopf. Was du alles gesehen hast. Du konntest der Versuchung also nicht widerstehen, tief in die Gedanken des Monsters einzutauchen.
    »Es war nicht die Lust an der Sensation! Unterstelle mir keine solch niederen Beweggründe. Ich will ihn einfach verstehen.«
    Und dafür kannst du deine eigenen Regeln ruhig ein wenig überschreiten, ätzte der Wolf.
    Ivy antwortete nicht. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht hatte sie sich selbst zu weit in seine Seele und sein Gedächtnis treiben lassen. Wie oft hatte sie Franz Leopold gerügt, wenn er den Geist seiner Freunde auszuforschen versuchte? Nun hatte sie selbst genau das getan. Nur zu seinem Besten suchte sie sich vor sich selbst zu rechtfertigen. Dennoch fühlte sie sich

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