Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
nützen . Denn meine Macht ist größer, als du es dir vorstellen kannst, kleine Ivy, deshalb gib deinen Widerstand auf. Komm zu mir. Du musst nur ein paar Schritte tun und meine Hand ergreifen.

    »Warum sollte ich das tun?« Ivy umklammerte den Reif aus Connemara-Marmor um ihren Arm, der mit jedem Tag ein wenig seiner Kraft verlor, doch noch wohnte die Seele ihres Landes in ihm und schützte sie.
    Weil es gut für dich ist, gab der Schatten sanft zurück.
    »Wer sagt das? Ich bestimme selbst, was gut für mich ist, also verschwindet von hier und lasst mich und die Meinen in Ruhe.« Ivy war selbst erstaunt, dass es ihr gelang, ihren Geist so weit aus seiner Umklammerung zu lösen, dass sie diese Worte sprechen konnte.
    »Das nützt dir nichts. Glaub mir, es wird angenehmer für dich, wenn du freiwillig zu mir kommst!«
    Die Drohung hallte in ihrem Kopf wider und schmerzte. Der Echsenring schien ihren ganzen Arm zu verbrennen, und dennoch wusste sie tief in ihrem Innern, dass er ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Sie spürte, wie er lockte und an ihr zog, doch Ivy bewegte sich keinen Zoll nach vorne. Seymours Fell in ihrer Hand schien ihr Kraft und Klarheit zu geben. Sie konnte dem Ruf widerstehen, wenn sie sich genug konzentrierte. Ja, sie wusste, sie musste es tun, wenn sie sich nicht verloren geben wollte.
    »Geht! Ich werde Euch nicht folgen!«
    Der Schmerz wurde stärker und schien sie zu verbrennen, doch sie spürte auch Zorn in ihm auflodern. Nur weil sie ihm widersprochen hatte? Oder weil er wusste, dass all seine Macht ihm nicht helfen konnte, Ivy zu diesem Schritt zu zwingen? Ivy fühlte, wie er tiefer in ihren Geist einzudringen versuchte, um ihren Willen zu lähmen und ihm seine Befehle einzuflüstern. Nein! Das durfte nicht geschehen.
    Plötzlich hörte sie die Stimme ihrer Mutter, der Druidin Tara, in ihrem Kopf. Du musst dich nicht so quälen, mein Kind. In unserem Land schlummern ungeahnte Kräfte. Wir müssen nur lernen, sie uns nutzbar zu machen. Die Kelten und ihre Druiden konnten die Kraftlinien erspüren. Ihre Heiligtümer sind häufig über den Kreuzungspunkten mächtiger Energieflüsse zu finden. Lerne, sie zu gebrauchen, und keine Macht der Welt wird dir Schaden zufügen können.
    Sie war jetzt nicht in Irland, doch beschränkten sich die Energieflüsse der Erde auf das kleine grüne Land im nördlichen Ozean?
Nein! Auch unter Paris gab es eine mächtige Kraftlinie. Die Menschen nannten sie Meridian und sie verlief genau durch das Pariser Observatorium und den Louvre. Erstaunt stellte Ivy fest, dass der Meridian auch durch die Oper strömte und damit Eriks versteckte Gemächer im Energiefluss lagen. Ja, er floss auch hier durch diesen Gang. Ivy konnte ihn spüren, wenn sie sich nur ein wenig konzentrierte. Sie konnte sich der Energie bedienen und sie in ihren Körper und Geist aufnehmen.
    »Lass diese Spielereien und komm zu mir!« Ivy sah in ihrem Geist das Bild einer knochigen weißen Hand mit langen, spitzen Fingernägeln, die nach ihr griff. Die Augen der Echse, die sich um seinen Ringfinger schlang, schienen zu lodern. Ivy streckte ihm abwehrend ihre Handflächen entgegen. Der Marmor ihres Armreifs schien zu knistern, als die Kraft der Erde durch seine Kristalle floss.
    »Weiche! Du kannst mich nicht berühren!«, rief sie und war über die Festigkeit ihrer Stimme selbst überrascht. Ja, das stimmte. Erst als sie es aussprach, wusste sie, dass es das war, was ihn so wütend machte. Solange sie nicht freiwillig zu ihm kam, war er trotz seiner Kräfte ihr gegenüber machtlos.
    »Geh fort und verlass Paris«, forderte sie den mächtigen Schatten auf. »Ich werde dir niemals aus freien Stücken folgen!«
    Er schien ein Stück näher zu kommen. Aasgeruch hüllte Ivy ein und der Duft von frischem Blut.
    »Ja, du hast recht, ich kann dir nichts tun, doch fühle dich nicht zu sicher. Die Zeit ist auf meiner Seite. Bald schon wirst du nichts mehr haben, das dich vor meiner Hand schützt. Verlass dich darauf, Ivy-Máire, dann komme ich wieder. Egal wo du auch sein wirst, ich werde dich finden.«
    Sein Zorn traf sie wie eine Woge und warf sie um. Er löste sich in Nebel auf und fuhr über sie hinweg. Das war das Letzte, was in Ivys Bewusstsein drang. Dann lösten sich ihre Gedanken in Schwärze auf. Ihr Kopf schlug auf dem Felsgrund auf.

    Es war dunkel um sie. Nein, undurchdringlicher Nebel umhüllte ihren Geist. Sie konnte ihn nicht verjagen. Er floss träge und unbeirrt in jeden Winkel

Weitere Kostenlose Bücher