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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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und hielt ihre Gedanken in seinem zähen Strom fest. Dann hörte sie Musik. Wundervolle Musik. Sie wusste, dass dies die Harmonien waren, die Menschen zu Tränen rührten. Ivy wusste, sie konnte nicht weinen, ihre Seele - wenn sie denn noch eine besaß - war jedoch so berührt, dass ihre Sinne sich nur noch auf diese Melodie konzentrierten. Sie wollte sich aufrichten, riechen und sehen, wo sie sich befand und was um sie herum vor sich ging, doch sie konnte nur der Musik lauschen.
    Plötzlich brach die Melodie ab. Für einen Augenblick noch klang sie von einer gewölbten Decke und den Wänden nach, ehe sie erlosch. Dann hörte Ivy eine Stimme, die ihr bekannt vorkam.
    »Hat sie sich eben bewegt?«
    Eine feuchte Nase strich an ihrer Wange entlang. Ivy? Kannst du meine Gedanken empfangen?
    Seymour! Und Erik? Ivy schlug die Augen auf und blinzelte in der Helligkeit, die die Kerzen in den Leuchtern zu beiden Seiten des Klaviers verströmten. Das Phantom der Oper saß auf dem Schemel, die schlanken Hände noch immer auf den Tasten, und sah zu ihr herüber. Wie gewohnt trug er seinen schwarzen Frack und die weiße Maske vor dem Gesicht. Neben ihr hockte Seymour. Sie spürte seinen heißen Atem auf ihrer Haut.
    »Ja, ich glaube, sie ist erwacht«, bestätigte Erik seine Vermutung und erhob sich. Langsam kam er auf sie zu und blieb dann am Fuß des Podests stehen. Nun erst bemerkte Ivy, dass sie in dem offenen Sarg unter dem Baldachin lag, den Erik als seine Ruhestätte hier aufgestellt hatte.
    Wie passend, dachte sie und richtete sich auf.
    »Was ist passiert? Seymour war nicht sehr gesprächig, als er dich herbrachte.«
    » Seymour hat mich zu dir gebracht?«, rief Ivy verwundert aus.
    »Sieht so aus. Irgendwie musst du ja ans Ufer des Sees gekommen sein. Ich habe euch dann mit dem Boot übergesetzt.«
    Du hast dich gewandelt! Wie sonst hättest du mich tragen können?
    Außergewöhnliche Begebenheiten verlangen außergewöhnliche Mittel, verteidigte sich der Werwolf. Habe ich nicht in Irland auf Catrionas Anweisung hin euer Schiff während des Tages gesteuert, als der Augenblick es erforderte? Ich habe mich zurückgewandelt, ehe er kam. Er nickte in Eriks Richtung.
    Das war kein Vorwurf, stellte Ivy richtig. Ich wundere mich nur, dass du mich ausgerechnet zu Erik gebracht hast, wo du doch - sagen wir - gewisse Vorbehalte gegen ihn hegst.
    Ja, er ist nur ein Mensch und noch dazu einer, dessen Reaktionen nicht vorhersehbar sind. Dennoch vertraust du ihm, das genügt mir.
    Ivy hob erstaunt die Brauen. Das ist ja etwas ganz Neues.
    Und außerdem war es viel näher als zu den Pyras zurück. Wir hätten die Brücke queren müssen oder durch diesen Siphon tauchen.
    Und so hast du entschieden, es wäre besser, hierherzukommen. Das war eine kluge Entscheidung.
    Erik sah sie aufmerksam an. »Ihr sprecht miteinander, nicht wahr? Wie funktioniert das? Könnt ihr Gedanken lesen?«
    Ivy nickte. »Ja, so in der Art. Wir können unseren Geist verbinden und unsere Gedanken austauschen.«
    Erik betrachtete sie interessiert. »Haben alle Vampire diese Gabe? Kann man das lernen? Das wäre eine machtvolle Fähigkeit.«
    Ivy schüttelte den Kopf. »Nein, so einfach ist das nicht. Es gibt Vampire, die starke, geistige Kräfte entwickelt haben, andere müssen es erst mühsam lernen. Wieder andere werden die Fähigkeit niemals erlangen.«
    »Und woran liegt es, dass es manche können und andere nicht?« Erik ließ nicht locker.
    Ivy überlegte. »Wie soll ich dir das am besten erklären.« Und dann begann sie, von reinen und unreinen Vampiren zu sprechen und von den Clans, die sich auseinandergelebt, ja, jahrhundertelang Krieg gegeneinander geführt hatten.
    »Jede Familie hat unterschiedliche Fähigkeiten und Talente weiterentwickelt, andere wiederum vernachlässigt und über die Generationen vergessen. Die Dracas in Wien beispielsweise sind Meister der Geisteskräfte und der Manipulation. Wir Lycana aus Irland dagegen
haben gelernt, uns die Natur unterzuordnen, uns in Fledermäuse und Wölfe zu wandeln.«
    »Die anderen, die bei dir waren, als wir uns das erste Mal sahen, waren das auch Lycana? Nur eine sah aus wie die Vampire von Paris.«
    »Das hast du richtig erkannt. Joanne ist eine Pyras aus Paris. Die blonde Vampirin ist eine Vamalia aus Hamburg, der Junge mit den kurzen abstehenden Haaren ein Nosferas aus Rom und der andere mit dem ebenmäßig schönen Gesicht ein Wiener Dracas.«
    Erik runzelte die Stirn. »Ja, ich habe von diesen Clans

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