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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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nicht mehr viel. Und da ihr Onkel ebenfalls seinen Gedanken nachhing, wurde es auch eine stille Heimfahrt. Im großen Vestibül des Hotels verabschiedete sich ihr Onkel von ihr und eilte zu der Droschke zurück, die noch auf ihn wartete. Latona sah ihr nach, bis sie um die nächste Ecke verschwunden war. Dann raffte sie ihr Kleid und eilte ins Zimmer hoch, allerdings nicht, um sich in ihr Bett zu legen und einen weiteren Roman zu lesen. Sie setzte sich an den
Sekretär, schrieb eilig eine Notiz, faltete sie zusammen und eilte in die Halle zurück.
    »Bitte besorgen Sie diesen Brief für mich, sofort, an Monsieur Bram Stoker. Das Hotel ist in der Rue de Rivoli.«
    Der Portier nahm die Münzen, die sie ihm hinhielt, verbeugte sich und winkte einen jungen Burschen herbei. Dem gab er die kleinere der Münzen und schickte ihn dann eiligst auf seinen Weg. Latona blieb nur, auf ihr Zimmer zurückzukehren und zu warten.

ALTE LEGENDEN
    Ivy folgte den Gängen. Seymour blieb eng an ihrer Seite. Er schwieg. Sein Versuch, sie aufzuhalten, war gescheitert. Nun bestand seine Aufgabe einzig und alleine darin, sie sicher zum Versteck des Phantoms zu geleiten und sie ebenso unversehrt vor Sonnenaufgang zu ihrem Sarg zurückzubringen. Auch Ivy blieb schweigsam und hing ihren Gedanken nach, ohne sie mit ihm zu teilen. Plötzlich blieb Seymour stehen und schnappte nach ihrem Gewand.
    »Was soll das?«, begann sie, doch da spürte sie es bereits selbst. Ivy stöhnte wie unter großem Schmerz und presste sich beide Handflächen gegen die Schläfen. Sie krümmte sich. Der Schatten war hier ganz in der Nähe.
    Zurück, wir müssen schnell zurück! Seymour knurrte und drängte sich noch enger an ihre Seite.
    »Wir sind bereits jenseits der Seine. Der Weg ist zu weit. Komm schnell, Erik ist bestimmt irgendwo in der Nähe.«
    Was das Phantom gegen die Macht des Schattens ausrichten konnte, darüber dachte sie nicht nach. Erik war - trotz allem - nur ein Mensch. Und der Schatten? Etwas Großes, Allmächtiges, das Blut, Geist und Seele raubte. Und dennoch war es Erik einmal gelungen, ihn zu vertreiben. Konnte er ein zweites Mal erfolgreich sein?
    Wenn das Phantom überhaupt in der Nähe ist! Ich kann ihn nicht spüren. Ivy versuchte, sich aus der bedrückenden Macht zu lösen, um in ihrem Geist nach Erik zu tasten. Nein, Seymour hatte recht. Er war nicht in der Nähe. Oder waren ihre Sinne nur zu betäubt?
    »Wir müssen uns selbst helfen«, ächzte sie und krallte die Finger in Seymours Fell, um sich Mut zu machen. Da die Beine ihr den Dienst verweigerten, blieb Ivy nichts anderes übrig, als den Schatten hier zu erwarten.
    Es war finster in den unterirdischen Gängen. Und dennoch kam es
ihr so vor, als würde es sich noch mehr verdunkeln. Obwohl sie ihn nicht sehen konnte, wusste sie, dass er ganz nah war. Dann hallte s eine Stimme in ihrem Kopf, dass sie meinte, er müsse ihr zerspringen.
    Ivy-Máire, mein Instinkt hat mich nicht getäuscht. Du bist meinem Ruf gefolgt und zurückgekommen. Allein, wie ich es befohlen habe - bis auf den Werwolf an deiner Seite, aber der soll uns nicht stören.
    Seymour machte einen halbherzigen Schritt nach vorn und jaulte dann wie unter heftigen Schmerzen auf. Ivy krallte sich noch fester in seinen Pelz.
    Bleib hier. Du kannst mir nicht helfen, aber viel verlieren.
    Seymour antwortete nicht. Hatte er ihre Gedanken nicht empfangen oder wurden die seinen blockiert?
    Der Schatten kam näher. Sie musste nichts sehen, um dessen gewiss zu sein.
    Wer auch immer du bist, du irrst dich! Ich bin nicht deinem Ruf gefolgt, ja habe ihn nicht einmal vernommen.
    Der Schatten schien zu lachen. Meine einfältige Ivy-Máire. Glaubst du deine eigenen Worte etwa? Du hast mein Zeichen an dich genommen und kannst es nicht mehr ablegen. Denn es ist mein Wille, dass du den Ring trägst.
    Ivy sah auf ihre Hand hinab. Würde es ihr gelingen, den Ring abzustreifen? Die Aura des Schattens bedrängte sie. Nein, so würde sie es nicht schaffen, ihm zu widerstehen.
    Erik, dachte Ivy, Erik, warum bist du nicht hier mit deinem gleißenden Licht!
    »Solch einen Zufall kann es nicht immer geben«, schnurrte der Schatten selbstzufrieden. Offensichtlich bereitete es ihm keine Schwierigkeiten, in ihren Gedanken wie in einem offenen Buch zu lesen. Das erschreckte Ivy. Wie konnte ihm das gelingen? Sie war gut darin, ihren Geist zu verschließen, und stark. Sie hatte die Kraft von einhundert Jahren Erfahrung.
    Und dennoch wird es dir bei mir nichts

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