Die Erben der Nacht - Pyras
bekannt war: der Vampirjäger Carmelo.
»Dieses Mal kommt er nicht davon!«, rief Luciano und ballte die Fäuste. »Er hat seinen Schwur gebrochen und sein Recht zu leben damit verwirkt.«
Franz Leopold zog im Laufen seinen Degen. »Und seine Nichte ebenfalls, die falsche Schlange, die sich an Malcolm herangemacht hat.« Seymour jaulte. Die beiden Vampirinnen schwiegen, liefen aber noch schneller. Der ferne Schein der Lampe wies ihnen bereits den Weg.
»Rühr dich nicht von der Stelle«, sagte Carmelo mit beherrschter Stimme. »Du bist jetzt in Sicherheit.«
Nur der ein wenig gepresste Tonfall verriet, dass er durch die dunklen Gänge hinter ihnen hergerannt war. Er stellte seine Lampe nahe einer der Schädelwände ab, sodass die schaurige Kulisse, aber auch Latona und Seigneur Thibaut vom Lichtschein erfasst wurden. Ohne den Vampir aus den Augen zu lassen, wechselte Carmelo eine der beiden silbernen Stangen in die linke Hand. Langsam trat er näher. Seigneur Thibaut lehnte noch immer an der Wand aus Schädeln, ein paar Ratten zu seinen Füßen. Sein Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt. Er sah nicht aus, als würde er fliehen oder sich wehren können. Nein, er wirkte eher, als würden seine Beine ihm jeden Moment den Dienst versagen und seinen zitternden Körper zu Boden sacken lassen.
»Ja, sieh mich an, Vampir«, zischte Carmelo. »Du selbst hast dein Ende besiegelt! Du hättest dich nicht an meiner Nichte vergreifen sollen.«
Der Vampir lachte leise. »Was ich an euch Menschen schon immer verwunderlich fand, ist, wie blind ihr nicht nur mit den Augen seid.«
Carmelo hob die beiden Spitzen und richtete sie auf die Brust des Vampirs.
»Nein!«, kreischte Latona. »Das darfst du nicht. Er hat dir nichts getan.«
»Bleib, wo du bist!«, rief Carmelo, doch er hielt kurz inne und warf seiner Nichte einen besorgten Blick zu.
»Lass ihn in Ruhe!«, schrie Latona.
In Carmelos Miene trat Wut. »Was hat er dir getan?«
Endlich fiel die Lähmung von Latona ab und sie stürzte nach vorn. Zwischen den Vampir und die zum vernichtenden Stoß erhobenen Silberspitzen. »Was er mir getan hat? Nichts! Frage dich stattdessen, was ihr ihm angetan habt!« Tränen rannen ihr über die Wangen.
Carmelo starrte sie fassungslos an. Seine Stimme klang nun weich. »Latona, er ist ein Vampir! Nacht für Nacht hat er unschuldigen Menschen das Blut ausgesaugt. Er ist ein heimtückischer Mörder. Er ist das Böse, das wir vernichten müssen. Geh zur Seite!«
»Du hast es in Rom geschworen!«, rief sie nur und rührte sich nicht vom Fleck.
Nun wirkte ihr Onkel ärgerlich. »Kann man einem untoten Wesen einen Schwur leisten? Das hat nichts zu bedeuten! Und nun lass es uns zu Ende bringen.«
Ehe Latona begriff, was er vorhatte, sprang er auf sie zu und stieß sie unsanft zur Seite, sodass sie taumelte und gegen einen pyramidenförmigen Stapel von Oberschenkelknochen fiel. Mit Getöse löste sich die akribische Ordnung zu einem chaotischen Haufen auf und begrub das Mädchen unter sich. Latona schrie und versuchte, sich zu befreien. Als Carmelo sah, dass ihr nichts geschehen war, drang er wieder auf den Vampir ein, der sich noch immer nicht von der Stelle gerührt hatte.
»Es ist zu Ende!«, sagte Carmelo und hob die Stangen zum Stoß.
»Die Frage ist nur, für wen!«
Bevor Carmelo sich fragen konnte, woher die fremde Stimme kam, traf ihn etwas Schweres und schleuderte ihn zur Seite. Eine der Stangen wurde ihm aus den Händen gerissen und rollte klappernd davon. Aus den Augenwinkeln erhaschte Carmelo ein großes weißes Tier. Ein Wolf? Sein nächster Blick erfasste vier schattenhafte Gestalten, die so schnell auf ihn zukamen, dass er sie erst erkennen konnte, als sie innehielten und sich zwischen ihm und dem nun auf dem Boden zusammengesunkenen Vampir aufbauten. Diese Gestalten kannte er. Die beiden Jungen und die beiden Mädchen. Der weiße Wolf. - Rom!
Carmelo klappte stumm den Mund auf und auch Latona schwieg.
Franz Leopold zog seinen Degen, noch ehe sie in den Lichtschein sprangen, der die Katakombe erhellte. Es sah den Pyras zusammengesunken am Boden kauern und das Mädchen, halb unter einem Berg von Knochen begraben. Der Vampirjäger hielt zwei silberne Spieße in den Händen, zum vernichtenden Stoß erhoben. Mit Latona konnte er sich später befassen. Carmelo hieß die unmittelbare Gefahr.
Franz Leopold schnellte in einem riesigen Satz nach vorn und schaffte es, die beiden Stangen im Stoß zur Seite zu reißen. Eine
Weitere Kostenlose Bücher