Die Erben der Nacht - Pyras
Mauer führt. Dann sind wir vor ihnen da. Als Ratten müssten wir hindurchpassen. Franz Leopold und ich können uns wandeln, wenn wir unsere Kräfte verbinden. Und wenn du Luciano hilfst?«
Ivy schüttelte den Kopf. »Das wäre kein Problem, aber was ist mit Seymour? Ich will ihn nicht noch einmal zurücklassen.« Franz Leopold brummte missmutig, Alisa stieß einen Seufzer aus, aber keiner widersprach.
»Also, dann nehmen wir den Weg, der unter dem Observatorium hindurchführt«, sagte Alisa und strebte bereits auf den Ausgang zu, der sie in westlicher Richtung um die Mauer herumführen würde. Sobald sie außer Sichtweite waren, begannen sie zu laufen. Seymour hetzte ihnen voraus. Er kannte den Weg. Hinter ihm kamen Ivy und Franz Leopold, der sich seinen Degen umgegürtet hatte, und mit e inigem Abstand Luciano. Alisa ließ sich absichtlich ein wenig zurückfallen. Sie hielt an, als die anderen um die nächste Ecke bogen, und folgte ihnen dann wieder, die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt.
»Alisa, wo bleibst du?«, rief Franz Leopold ungeduldig.
Ivys Frage klang besorgt. »Fühlst du dich nicht wohl? Hast du zu viel Quecksilber eingeatmet? Sollen wir langsamer laufen?«
»Nicht nötig«, gab Alisa zurück, die rasch wieder aufholte. Die Stirn noch immer gerunzelt.
»Was ist?«, fragte Ivy, der wieder einmal nichts entging.
»Ich dachte, ich hätte hinter uns Schritte gehört, aber ich habe mich wohl geirrt«, log Alisa.
Schneller, als sie gedacht hatten, erreichten sie den tiefen Schacht, der unter dem Observatorium scheinbar bodenlos in die Tiefe führte. Franz Leopold hatte die Galerie schon umrundet und den Gang, der sie nach Osten zum Spital bringen würde, erreicht, als er unvermittelt stehen blieb und prüfend die Luft einsog.
»Was ist?«, wollte Alisa wissen und schnupperte ebenfalls. Sie öffnete tonlos den Mund.
Es war Ivy, die den Namen aussprach. »Latona!«
»Und sie war nicht alleine«, ergänzte Franz Leopold. »Ein Pyras,
dessen Geruch annähernd dem von Seigneur Lucien gleicht, war bei ihr.«
»Wie ist das möglich?«, hauchte Alisa.
»Sie hat vor uns gefunden, was wir zu suchen gekommen sind!«, sagte Ivy.
»Du meinst, sie hat ihn befreit?«, fragte Alisa.
»Das glaube ich weniger«, widersprach Franz Leopold. »Kommt hierher und sagt mir, ob euch nicht auch dieser Geruch verdammt vertraut vorkommt!«
Die drei folgten seinem Ruf und nahmen die Witterung auf. Sie sahen einander ernst an.
»Von wegen, sie ist gekommen, ihn zu retten«, meinte Franz Leopold verächtlich. »Sie wusste von Anfang an, wo sie ihn gefangen halten. Sie arbeitet wieder mit dem Vampirjäger zusammen, und nun, da sie fürchten mussten, wir seien ihnen auf die Spur gekommen, schaffen sie Seigneur Thibaut in ein anderes Versteck.«
Ivy schüttelte irritiert den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Woher sollten sie wissen, dass wir ihnen auf die Schliche gekommen sind, und warum wählen sie ausgerechnet das Revier der Vampire, um ihn fortzubringen? Sie müssen doch damit rechnen, dass sie hier unten am ehesten aufgespürt werden.«
Luciano hob die Achseln. »Was erwartest du. Es sind nur einfältige Menschen. Du darfst von ihnen keine zu großen geistigen Leistungen erwarten.«
Ivy schüttelte noch immer den Kopf. »Carmelo ist nicht dumm, das hat er in Rom bewiesen. Nein, irgendetwas übersehen wir.«
»Egal was, wir werden es nicht ergründen, wenn wir hier weiter herumstehen. Sehen wir zu, dass wir sie einholen!«
Sie folgten Franz Leopolds Vorschlag, umrundeten die Galerie und bogen in den Gang ein, der erst nach Süden und dann nach Westen verlief.
»Ich weiß, wohin dieser Weg führt«, keuchte Luciano. »Hier waren wir bei unserer ersten Führung mit Joanne und Fernand.«
»Das ist richtig«, stellte Alisa fest. »Hier geht es zu den Katakomben.«
Ivy sagte nichts und folgte Seymour, der den Torbogen bereits erreicht hatte, der sie in den Höhlentrakt der Katakomben führte. Ein Schrei ertönte. Ein hoher, lang gezogener Ton voller Angst. Die vier fuhren zurück.
»Was ist das?«, keuchte Luciano, der schon wieder außer Atem war. »Sind heute Nacht wieder Führungen?«
»So schreit niemand, der sich vor den Schädeln graust«, widersprach Alisa. »Dies ist ein Schrei in Todesangst.«
Sie begegnete Ivys Blick und beide rannten wie auf ein unsichtbares Kommando wieder los. Nun verstummte die Frauenstimme und stattdessen brüllte ein Mann. Ein sehr zorniger Mann, der den jungen Vampiren wohl
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