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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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die Halle und über die Freitreppe sehen können. Natürlich darf man auch nie so spät kommen, dass sie sich bereits in ihre Logen zurückgezogen haben. Sonst muss man bis zur ersten Pause auf seinen Auftritt warten.«
    »Ich sehe schon, falls ich Ambitionen verspüre, die gesellschaftliche Leiter emporzusteigen, wähle ich dich als meine Beraterin. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.«
    Latona zog die Nase kraus. »Als Erstes würde ich dich von deinem veralteten Frack befreien!«
    Carmelo sah an sich herab. »Noch reicht dieser völlig aus. Um es in der Gesellschaft zu etwas zu bringen, sollte man möglichst zwei Dinge haben, die uns leider fehlen.«
    »Und die wären?«
    »Viel Geld und einen möglichst beeindruckenden Adelstitel. Mit dem Titel geht es zur Not auch ohne Geld, aber ohne sieht es
schlecht aus. Und da du gerade einen Teil unseres Vermögens für diese paar Meter Stoff und Tüll verprasst hast, sehe ich in naher Zukunft schwarz für unseren Aufstieg.«
    »Gefällt dir das Kleid denn nicht?«, rief Latona.
    Carmelo lachte. »Das ist die Reaktion einer Frau! Solange es gefällt, rechtfertigt es die Ausgabe. Aber um dich zu beruhigen, mein Kind, du siehst wunderschön aus.«
    Er führte sie zu einer Droschke und ließ diese zur Oper vorfahren. Latona bekam glänzende Augen und schwärmte von den prächtigen Straßen, den Geschäften, dem hell erleuchteten Platz und den vielen, kostspielig gekleideten Menschen. Carmelo hörte ihr schweigend zu oder tat zumindest so. Ab und zu kam ihr der Verdacht, er sei mit seinen Gedanken weit weg und mit schwerwiegenden Problemen befasst. Stand es um sie wirklich so schlecht? Er hatte in Persien Geld verdient und von Rom musste auch noch einiges übrig sein.
    Blutgeld, dachte Latona und schauderte. Nein, an diesem schönen Abend wollte sie nicht an die Vampire und ihr Blut denken, das sie vergossen hatten. Und auch nicht an Malcolms blaue Augen!
    Sie raffte die Schleppe ihres Kleides aus weißem Taft und hellblauer Seide, die wie ein Wasserfall von dem leicht ausgestellten Abschluss des Rückenteils herabfloss, während die beiden Röcke von vorn eine schmale Silhouette zeichneten. Um ihre nackten Oberarme schmiegte sich nur eine hellblaue Rüsche, um ihr Dekolleté perfekt zur Geltung zu bringen. Die langen Handschuhe und die weißen Schuhe mit den blauen Absätzen vervollständigten ihre Garderobe, mit der sie mehr als nur zufrieden war. Jetzt fehlte nur noch ein junger, eleganter und vielleicht auch noch reicher Kavalier an ihrer Seite, dachte sie und unterdrückte einen Seufzer. Blaue Augen müsste er haben, dunkle blaue Augen, deren Blick ihr bis in die Seele drang.
    Sosehr Latona ihren Onkel mochte. Er war nur ein ungenügender Ersatz. Sie folgte mit den Augen einem gut aussehenden jungen Mann, der ungebührlich schnell die Treppe hinaufeilte und sich dann zu einem Herrn gesetzteren Alters begab, der einen kummervollen Blick hatte.
    »Das ist der Direktor der Oper, Monsieur Halanzier-Dufresnoy«,
sagte ihr Onkel. Sie traten näher an die Männer heran, bis sie ihre Stimmen hören und die Worte verstehen konnten, die gesprochen wurden.
    »Kopf hoch, Monsieur le Directeur«, sagte der junge Mann heiter und klopfte dem gewichtigen Herrn den gebeugten Rücken. »Ihre Loge fünf wird heute leer bleiben. Heute und für alle Zeiten!«
    Latona horchte auf. Sie verstand die Worte. Sie beherrschte die französische Sprache so gut wie Englisch oder Italienisch, aber der Sinn wollte sich ihr nicht erschließen. Vor allem die Reaktion des Opernhausdirektors war mehr als nur merkwürdig.
    »Was?«, keuchte der Mann. Seine Augen quollen hervor, als wollten sie aus den Höhlen springen. »Wollen Sie mir damit sagen - ich meine - ist er weg? Wie das?« Er senkte die Stimme zu einem heiseren Flüstern. »Tot oder gar gefangen?«
    Der junge Mann winkte einen Kellner heran, nahm zwei Gläser Champagner vom Tablett und reichte eines dem Direktor. »Hier, mein Werter, trinken Sie und hören Sie zu, was sich in den finsteren Labyrinthen unter der Oper zugetragen hat.«
    Latona merkte, dass auch ihr Oheim aufmerksam lauschte. Sie lehnten sich gegen eine marmorne Balustrade, taten so, als beobachteten sie die letzten Gäste, die die Treppe emporstiegen, rutschten dabei aber unauffällig noch ein Stück näher an die beiden Männer heran.
    »Wir waren ein Trupp guter Männer, die etwas von der Sache verstehen. Selbst einen Zoologen, einen Großwildjäger, der Erfahrungen in Afrika

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