Die Erben der Nacht - Pyras
Mikrobe ist klein und Pasteur ihr Prophet«, sagten sie. Angeblich war Pasteurs Zorn fürchterlich gewesen, als man ihm diese Worte hinterbrachte. Carmelos Blick kreuzte sich mit dem des Wissenschaftlers und er spürte die starke Persönlichkeit hinter der schwächlichen Fassade.
»Wir können beginnen!«, sagte Pasteur, ohne den Blick abzuwenden.
Carmelo senkte den Kopf. »Gerne. Ich bin bereit.«
Er wiederholte einige Versuche aus der Nacht zuvor, damit sich die neu hinzugekommenen Forscher ein eigenes Bild machen konnten, und fuhr dann fort, indem er ihnen zeigte, wie der Vampir auf Verletzungen mit Eisen- oder Stahlwaffen im Gegensatz zu den Gerätschaften mit einem hohen Silberanteil reagierte. Dann begann er, das Versuchsobjekt mit Knoblauch und Weihwasser zu quälen. Die Wissenschaftler sahen aufmerksam zu, fragten immer mal wieder
nach und machten sich Notizen. Natürlich stellten sie bald die Frage, die er gefürchtet hatte: Wie er eine Gruppe dieser Bestien im weitläufigen Untergrund von Paris aufstöbern und alleine zur Strecke bringen wollte. Carmelo antwortete ausweichend.
»Ich arbeite an einer neuen, revolutionären Methode, die aber noch in der Phase der Erprobung ist. Bevor ich sie nicht abschließend getestet habe, will ich noch keine Einzelheiten bekannt geben. Leider fehlen mir noch ein wesentlicher Teil der Ausrüstung und passende Räumlichkeiten für meine Versuchsreihe.«
Die Wissenschaftler nickten. Nur einer war nicht so leicht zufriedenzustellen. »Wollen Sie uns nicht wenigstens einen Anhaltspunkt geben, auf welcher Basis Ihre Methode aufgebaut ist? Welche Gerätschaften fehlen Ihnen? Wir haben hier die wichtigsten Wissenschaften vertreten. Vielleicht kann Ihnen in einem unserer Labore geholfen werden?«
»Ja, Doktor? Verzeihen Sie, ich habe Ihren Namen vergessen.«
»Karl Westphal, Doktor der Medizin. Eigentlich im Ruhestand, doch das Schreiben von Abhandlungen und medizinischen Werken für die Nachwelt allein befriedigte mich nicht, und so trieb mich der Forschereifer ans Hôpital de Cochin nach Paris. Das Spital für venerische Krankheiten«, fügte er hinzu, als er Carmelos fragenden Blick sah.
»Venerische Krankheiten? Oh, Sie meinen Syphilis und solche Dinge«, sagte er ein wenig verlegen.
Der Doktor nickte. »Ja, das war mein Fachgebiet. Ich habe unter dem Pseudonym Friedrich Richter ein Buch verfasst, das jeder Mann lesen und sich zu Herzen nehmen sollte, wenn er sich vor der Gefahr einer Ansteckung schützen will.«
Doch Carmelo hörte gar nicht mehr richtig zu. Er kaute auf seiner Unterlippe und stützte das Kinn in die Hand, dann ruckte sein Kopf nach oben und er sah den Arzt mit großen Augen an.
»Doktor Westphal, haben Sie in Ihrer Klinik vielleicht einen Raum, in dem man unser Untersuchungsobjekt sicher unterbringen k önnte?«
»Was? Aber warum denn?« Der Arzt war verblüfft.
»Nun, ich könnte mir vorstellen, dass Sie genau über die Ausrüstung verfügen, die wir brauchen. Es wäre ein Versuch wert.«
Der deutsche Arzt zögerte. »Nun ja, das könnten wir schon arrangieren. Was meinen Sie, Doktor Pasteur?«
Louis Pasteur, der sich bisher stumm im Hintergrund gehalten hatte, trat vor. »Sie wissen, dass ich auf anderen Gebieten tätig bin. Ich beschäftige mich mit mikroskopisch kleinen Lebewesen, die uns krank machen, doch vielleicht sind diese Blutsauger auch eine Art Seuche, die man ähnlich bekämpfen kann wie die Tollwut und den Milzbrand.«
»Wollen Sie einen Impfstoff gegen Vampire entwickeln?«, fragte Girard ein wenig spöttisch. »Oder sie durch Pasteurisierung unschädlich machen?«
»Nein, Herr Kollege, damit würden wir vermutlich keinen Erfolg haben«, gab Louis Pasteur freundlich zurück. Die Spöttelei schien ihm ausnahmsweise nichts auszumachen. Ernst wandte er sich wieder an die anderen. »Ich weiß nicht, welche Versuche Monsieur Carmelo an der Klinik durchführen will, doch ich hätte durchaus auch ein paar Theorien beizusteuern. Jedenfalls rate ich dringend dazu, das Forschungsobjekt in einem streng isolierten Teil des Hospitals unterzubringen, der so gesichert wird, als hätten wir es mit einem Seuchenfall zu tun.«
Doktor Westphal nickte. »Ich werde alles veranlassen. Ich bin zuversichtlich, dass wir schon morgen beginnen können.«
Carmelo lächelte in die Runde und rieb sich die Hände. »Großartig«, sagte er, doch das Gefühl in seiner Magengrube sprach nicht von Begeisterung.
Latona verbarg sich im Schatten eines
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