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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Meinung bin, du solltest es wissen.
    Nur wenn du der Meinung bist, schimpfte Seymour und zeigte seine Zähne.
    Ivy nahm es mit einem Schulterzucken hin. Sie schwiegen, bis sie das Haus erreichten, in dem Bram Stoker mit seiner Frau Florence und seinem Sohn Irving Noel wohnte. Es war ein schmales Haus von nur zwei Fensterbreiten in einer gleichmäßigen Reihe von Backsteinfronten, die außer den schmiedeeisernen Gittern vor den tiefen Fenstern und dem Gitter vor dem winzigen Vorgarten keine Verzierungen aufwiesen. Auf der anderen Seite der Straße breiteten sich die weiten Rasenflächen des Burton’s Court aus, dahinter ragten die Gebäude des Chelsea Royal Hospital s auf, das im Auftrag von König Charles II . als Ruhesitz für alte und verwundete Soldaten erbaut worden war.
    Ivy wandte sich wieder Bram Stokers Wohnhaus zu. Sie ließ den Blick wandern und versuchte zu erspüren, wo sich Bram aufhielt. Ivy vermutete, dass das Innere wie bei den meisten viktorianischen Häusern dieser Art aufgeteilt war: Hinter der Eingangstür betrat man die Diele, von der aus man in den Salon gelangte oder Parlor , wie man hier sagte, dessen beide großen Fenster zum Vorgarten hin zeigten. Darüber befand sich das Schlafzimmer. Weiter oben brauchte sie nicht nach Bram zu suchen, einen Stock höher hinter den kleineren Fenstern lag normalerweise das Kinderzimmer und unter dem Dach die Kammer für das Hausmädchen. Im hinteren Bereich des Hauses waren die Wirtschaftsräume untergebracht, meist im Souterrain: Küche, Kohlenkeller, Abwaschküche und Bügelkammer– auch kein Ort, wo Bram sich aufhalten konnte. Darüber das Badezimmer und einen Stock höher das Kabinett oder die Bibliothek des Hausherrn. In älteren Häusern lag der Raum, in dem sich das Familienleben abspielte, im ersten Stock. Damals nannte man ihn noch Drawing Room , und im Erdgeschoss war neben der Halle ein kleineres Speisezimmer zu finden. Doch auch hier war das Herrenzimmer zum Garten oder Hof nach hinten hinaus gelegen.
    Hoffentlich saß Bram nicht mit seiner Frau zusammen im Salon. Nein, hinter den großen Fenstern brannte kein Licht.
    Oder war er ausgegangen? Die mondäne Welt legte sich um diese Stunde noch nicht zu Bett, doch zu der Schicht der alten Aristokratie, die nur für ihr Vergnügen lebte und sich um so niedere Dinge wie Geldverdienen keine Gedanken machen musste, zählte sie Bram nicht.
    Der Junge schlief sicher schon und auch das Mädchen, das Florence– wie alle Familien dieser Schicht– für die grobe Hausarbeit beschäftigte, hatte sich vermutlich zu Bett begeben, sobald ihre Pflichten es ihr erlaubten. Die Arbeit war anstrengend und begann bereits im Morgengrauen damit, die Kohleneimer aus dem Keller zu schleppen und die Öfen einzuheizen.
    Vielleicht war auch Florence schon zu Bett gegangen. Zumindest hoffte Ivy darauf. Sie war vermutlich keine Nachtschwärmerin.
    Und Bram? Lag er neben seiner Frau im Bett und schlief oder suchte ihn wieder einmal nächtliche Unruhe heim?
    Ivy machte sich auf den Weg zur Rückseite des Hauses. Ja, sie hatte es geahnt. Dort oben brannte noch eine Lampe. Waren gar ihre intensiven Gedanken der Grund dafür, dass Bram keinen Schlaf finden konnte? Hauptsache, er war wach und sie konnte in Erfahrung bringen, was sie wissen wollte. Und vielleicht konnte sie noch einen Anstoß geben, um die Sache weiter ins Rollen zu bringen.
    Bleib hier!, befahl sie Seymour, der sowieso nicht damit gerechnet hatte, mit ins Haus gebeten zu werden. Er knurrte leise. War es nötig, es auf diese Weise zu sagen?
    Ivy wandte sich noch einmal um und schüttelte den Kopf. Es gibt Zeiten, da kann man sich keine Empfindlichkeiten leisten, mein Bruder. Gewöhne dich lieber daran, denn sonst wirst du noch viele Kränkungen erfahren.
    Ihre Blicke trafen sich, und für einen Moment sah er so viel Schmerz, dass er ahnte, wie schwer sie an ihrem Wissen trug. Dann verschluckte Nebel die Gestalt mit dem Silberhaar und eine Maus schlüpfte über die Schwelle unter der Hintertür hindurch.
    Seymour kehrte zur Vorderseite des Hauses zurück und ließ sich im Schatten eines Busches auf dem kleinen Fleckchen Grün vor dem Haus nieder. Etwas drückte schwer auf sein Herz. Was war es nur, das düster und gnadenlos auf sie zukam? Unaufhaltsam.
    Vielleicht wollte er es gar nicht so genau wissen.
    *
    Bram Stoker saß in seinem Studierzimmer, das er auch als Bibliothek nutzte, und las. Er hielt einen schmalen Band von George Gordon Noël Lord Byron

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