Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
Clarissa?«
Nun war es an Luciano, auszuweichen. » Ich weiß es nicht. Wir lassen uns– äh– ein wenig Freiraum. Vielleicht ist es gut, wenn sie selbstständiger wird und sich hin und wieder anderen Vampiren anschließt.«
Sie blieben beide unter der Tür stehen, als sie Clarissa entdeckten, die sich in angeregtem Gespräch mit einem Gentleman befand. Luciano hatte gehofft, dass sie irgendwann wieder so lebhaft und strahlend werden würde, wie sie es als Mensch in Wien gewesen war, doch als er sie nun genau so vor sich sah, versetzte es ihm einen Stich.
» Sie scheint sich deinen Rat zu Herzen genommen zu haben«, meinte Ivy und sah Luciano von der Seite an. » Und sie hat sich gleich den berühmten Herzensbrecher Lord Byron gewählt. Ich muss sagen, ich bin überrascht, dass du dem gleichmütig zusehen kannst«, sagte sie ein wenig spöttisch.
» Dass es mit meinem Gleichmut vorbei ist, hast du sehr wohl gespürt«, gab er vorwurfsvoll zurück. » Nein, so dachte ich mir das nicht. Ich konnte ja nicht ahnen, was es für Folgen hat, wenn ich sie mal ein paar Stunden aus den Augen lasse.«
» Sie wirkt so fröhlich und gelöst. So habe ich sie nicht gesehen, seit ich in London angekommen bin.«
Luciano starrte Ivy finster an. » Bohr noch in der Wunde! Ich stürme gleich los und reiße sie ihm aus den Klauen.«
Ivy lächelte spöttisch. » Das, mein lieber Luciano, solltest du unbedingt tun, wenn du für den Rest des Akademiejahres eine Furie an deiner Seite wünschst. Und vergiss nicht, ihr zu verbieten, auch nur ein Wort mit Lord Byron oder einem anderen Vampir zu wechseln. Zeige ihr, wo ihr Platz ist! Einen Schritt hinter dir, mit gesenktem Blick, stets als treue Servientin auf deine Befehle wartend.«
Luciano sah die Lycana empört an. » Du kannst nicht im Ernst denken, dass ich das jemals von Clarissa verlangen würde!«
» Du musst dich entscheiden«, gab Ivy sanft zurück. » Willst du eine selbstbewusste Vampirin an deiner Seite, die ihre eigenen Entscheidungen trifft und auch ihre eigenen Freundschaften pflegt, oder willst du eine Servientin und Dienerin, die sich unterordnet und der du befehlen kannst? Es ist beides möglich, aber du kannst nicht beides gleichzeitig haben. Zumindest nicht mit einer einzigen Vampirin.«
Luciano starrte Ivy an. Dann seufzte er tief. » Warum muss das so kompliziert sein?«
In Ivys Augen trat Verständnis, und er erkannte den tiefen wissenden Blick in ihren türkisfarbenen Augen wieder, der ihn vom ersten Tag an gefesselt hatte. » Freundschaft und Liebe sind kompliziert, und selbst wenn wir glauben, sie errungen zu haben, sind sie zarte Pflanzen, die gehegt werden wollen, um nicht einzugehen. Und auch das ist keine Garantie für dauerhaftes Glück. Wir mögen uns noch so anstrengen, es kann dennoch jeden Moment vorbei sein– aus eigener Schuld, derer wir uns nicht bewusst sind, oder weil der andere sich in seinen Gefühlen gewandelt hat.«
Sie sahen beide von Alisa zu Franz Leopold, die– einander den Rücken zugewandt– in verschiedenen Ecken des Saales standen. Alisa bei Malcolm, Tammo und Fernand, Franz Leopold bei Rowena und Mervyn.
» Es ist so schade und so unbegreiflich«, meinte Luciano mit einem Kopfschütteln.
» Es ist einfach nur dumm und falscher Stolz«, widersprach Ivy hart.
» Meinst du, wir könnten etwas tun?«, schlug Luciano zaghaft vor, der sich lieber nicht vorstellen wollte, mit welchen Kommentaren ihn Leo bedenken würde, sollte er sich in sein Liebesleben einmischen und ihm Vorschläge für sein Verhalten unterbreiten.
Ivy schüttelte den Kopf. » Nein, da müssen die beiden jetzt selber durch, denn sonst, fürchte ich, lernen sie nichts daraus.«
» Und wenn sie nicht mehr zueinanderfinden? Ich glaube zwar nicht, dass Alisa und Malcolm zusammenkommen, aber was, wenn er Latona für immer verloren glaubt? Alisa und er verstehen sich gut.«
» Als Freunde, ja, das kann jeder sehen, außer ein derart arroganter Dracas.«
Luciano konnte sich nicht erinnern, Ivy schon einmal so abfällig von Leo reden gehört zu haben.
» Wenn sie sich nicht mehr finden, dann haben sie es auch nicht verdient und ihre Liebe würde an der nächsten kleinen Hürde zerbrechen. Denn Vertrauen und Offenheit gehören auch dazu, aber das haben die beiden anscheinend noch nicht begriffen.«
Ivy drehte sich auf dem Absatz um und stürmte durch den Gang zurück zum Tor. Luciano sah ihr verwundert nach. Sie benahm sich immer seltsamer. Und jedes Mal, wenn
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