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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Sicher hätte es die Direktorin aus der Fassung gebracht, wenn sie an ihr Büro geklopft und ihr gesagt hätte, sie würde ihr Geld benötigen nach London zu fliehen, um ihren Geliebten– einen Vampir– zu suchen.
    Das Gesicht hätte sie sehen mögen! Aber vermutlich wäre die einzige Folge gewesen, dass man sie wegen überreizter Nerven in die Krankenstation gesperrt hätte. Und von dort war eine nächtliche Flucht viel schwieriger, da die Schwester im Nebenzimmer schlief oder gar bei ihren Schützlingen am Bett wachte, wenn sie es für notwendig hielt.
    Na, wenigstens hatte sie einen Teil ihres Geldes woanders aufbewahrt und es so vor den gierigen Klauen der Direktorin schützen können. Weit würde sie damit nicht kommen, aber zumindest für den Zug und ein wenig Proviant sollte es reichen.
    Und dann? Was machst du, wenn du Malcolm nicht gleich finden kannst? Wo willst du schlafen? Bei den Armen in Clerkenwell, Camden oder Whitechapel, wo es billige Absteigen gibt? Zwischen dem unehrlichen Gesindel und den Frauen, die ihren Körper für ein paar Pence verkaufen, weil sie sich und ihre Kinder nicht anders ernähren können und weil sie den Gin brauchen, der den Geist betäubt und sie das Elend zumindest für eine Weile vergessen lässt?
    Latona war noch nie in dieser Gegend gewesen, doch sie hatte Oliver Twist gelesen und nahm an, dass sich die Zustände, seit Dickens sie in seinem Roman angeprangert hatte, nicht groß geändert hatten.
    Sie verdrängte den Gedanken daran. Es würde schon alles gut gehen. Sie würde als Erstes das Albert Memorial in den Kensington Gardens aufsuchen. So wie sie es ausgemacht hatten, als sie sich in Paris trennten. Ganz sicher war dort irgendwo eine Nachricht für sie, die sie zu ihm führen würde.
    Ob er nach so langer Zeit überhaupt noch nach ihr Ausschau hielt? Sie war mehrmals dort gewesen und hatte nichts entdeckt. Ihr war es allerdings nicht möglich gewesen, genauer zu suchen. Es war bei Tag, bei sonntäglichen Spaziergängen mit Bram und Florence gewesen. Überall Leute, die sich im Park ergingen. Elegante Kutschen und edle Pferde, die die Aristokratie samt ihrer neuen Garderobe an schönen Nachmittagen im Hyde Park präsentierte. Wie hätte sie da über das Gitter steigen und das Denkmal zu Ehren des verstorbenen Prinzgemahls auf eine versteckte Nachricht untersuchen können?
    Aber dieses Mal würde sie finden, was er für sie zurückgelassen hatte. Davon war sie überzeugt, denn wenn sie daran zweifelte, wäre ihre Flucht sinnlos. Wie könnte sie sonst den Unterschlupf der Vyrad in dieser riesigen Stadt finden?
    Wenn alle Stricke reißen, dann kann ich immer noch nach Chelsea zurückkehren und Bram um Verzeihung bitten, dachte sie. Er wird wütend sein, doch vermutlich wird er mich nicht einmal verprügeln.
    Und einfach vor die Tür setzen würde er sie auch nicht. So gut glaubte Latona ihn inzwischen zu kennen. Was riskierte sie also?
    Höchstens, in Schimpf und Schande wieder hier eingeliefert zu werden. Nun, das war es ihr wert.
    Inzwischen hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit der Nacht gewöhnt. Wolken zogen über den Himmel und verdeckten einen Teil der Sterne, und auch die Mondsichel verschwand immer wieder. Latona schritt bedächtig zwischen den Blumenrabatten hindurch, eifrig darauf bedacht, nicht zu stolpern. Sie überquerte den Rasen, der weich unter ihren Schritten federte. Die Klosterschwestern hatten hier früher sicher Gemüse angebaut und Heilkräuter, wie die Aufteilung der Beete im hinteren Teil des Gartens noch immer andeutete. Nein, vermutlich hatten sich die adeligen Nonnen die Hände nicht schmutzig gemacht und den Rücken zum Hacken und Unkrautjäten gebeugt. Dafür hatte es sicher einfache Laienschwestern gegeben, nicht besser gestellt als jede Magd auf einem Bauerngehöft.
    Im Schatten alter Bäume erreichte Latona die Mauer. Natürlich hatte sie sich ihren möglichen Fluchtweg vorher genau angesehen. Das Haupttor war ein noch schwierigeres Hindernis als die Gartenmauer, und selbst diese schien in weiten Teilen unüberwindlich. Doch hinter der alten Blutbuche war die Mauerkrone gebrochen, uneben und ein wenig niedriger. Und auch die Mauer selbst wies mehr Unebenheiten auf als anderswo. Hinzu kam, dass die Buche so nah an der Mauer wuchs, dass Latona ihre Äste greifen und sich so bis auf die Mauerkrone hinaufziehen konnte. Das hoffte sie jedenfalls. Ausprobiert hatte sie es noch nicht.
    Latona blieb zwischen Baumstamm und Mauer stehen und

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