Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
Ja, vielleicht misslingt der Plan heute Nacht– doch das kann geschehen, egal wie Sie und ich uns entscheiden. Und? Dann wird es diesen Vampir, der schon seit Jahrhunderten in dieser Welt ist, eben noch eine Weile länger geben.«
» Er wird weiterhin Menschen ihres Blutes berauben und sie töten, und vielleicht werden an seiner statt einige der Erben vernichtet!«, warf Bram leidenschaftlich ein, doch van Helsing ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
» Das ist alles richtig, und dennoch dürfen Sie frei entscheiden, ob Sie heute Nacht mit mir zum Temple fahren oder hier bei Ihrer Frau und Ihrem Sohn bleiben.«
Entschlossen steckte sich Bram das Päckchen aus Knoblauch, einer Hostie und einem Fläschchen Weihwasser, das van Helsing vorbereitet hatte, in die Tasche und trat zur Tür.
» Gehen wir. Nicht dass wir zu spät kommen!«, sagte er mit fester Stimme.
Van Helsing nickte mit ernster Miene. Den silbernen Stockdegen in der Hand, folgte er Bram vor das Haus und ein Stück die Straße hinunter, wo bereits die Droschke wartete, die sie bestellt hatten.
In flottem Trab ging es die King’s Road hinunter und bald schon passierten sie den großen Bahnhof, der zu Ehren Königin Victorias benannt worden war. Um diese Zeit waren die Straßen fast leer. Der Strom der Karren und Kutschen war abgeflaut. Und hier in dieser Gegend waren auch nicht mehr viele Menschen auf den Straßen. Das mochte in den Vergnügungsvierteln von Vauxhall und Covent Garden anders sein, wo bis in die frühen Morgenstunden getanzt und gefeiert wurde. Westminster dagegen lag wie ausgestorben da und der Klang der Hufe hallte von der üppig verzierten Fassade des Parlamentsgebäudes wider. Der Kutscher folgte Whitehall mit seinen prächtigen Gebäuden zu beiden Seiten und bog am Trafalgar Square in The Strand ein. Nun war es nicht mehr weit. Brams Nervosität nahm wieder zu. Was würde sie in dieser Nacht erwarten?
Immer neue Szenarien enstanden vor seinem geistigen Auge, während die Kutsche zum vereinbarten Treffpunkt am Temple Bar Memorial fuhr. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass Latona ihm den Wagenschlag öffnete, als die Droschke unter dem Denkmal mit dem Drachen anhielt.
Bram war so entsetzt, dass er nur tonlos nach Luft schnappen konnte.
» Freust du dich denn gar nicht, mich wiederzusehen?«, fragte sie ein wenig gekränkt. » Ich jedenfalls finde es großartig, dass wir dieses Mal zusammen mit den Erben gegen den mächtigen, alten Feind kämpfen– nachdem du mich das letzte Mal in Wien zurückgelassen hast«, sagte sie und zog in Erinnerung an diese Ungerechtigkeit schmollend die Unterlippe hoch.
Van Helsing fasste sich schneller als sein Freund und reichte Latona die Hand. » Wie schön, Sie wiederzusehen. Ich wähnte Sie in einem Internat in Oxford und dachte, Sie würden erst zu Weihnachten einige Tage nach Hause kommen?«
» Das waren Brams Pläne, nicht meine«, erwiderte Latona heftig.
Van Helsing nickte verstehend. » Sie sind also heimlich ausgebüxt, um Ihren Vampir zu suchen?«
Latona nickte. » Ja. Endlich ist es mir gelungen, Malcolm wiederzufinden.«
Bram stöhnte. » Du hast dich diesem Vampir an den Hals geworfen? Wie konntest du nur?«
Van Helsing hüstelte. Er hielt noch immer ihre warme Hand in der seinen. » Noch jedenfalls ist Miss Latona ein Mensch wie wir, und sie macht mir auch nicht den Eindruck, als sei sie noch einmal gebissen und ihres Blutes beraubt worden.«
Bram trat auf sie zu und zog sie an seine Brust. » Dem Herrn im Himmel sei es gedankt. Es ist noch nicht zu spät!«
» Doch, das ist es«, widersprach Latona bockig. » Ich habe Malcolm versprochen, ihm zu folgen, und das werde ich tun. Nach dieser Nacht. Wenn alles so verlaufen ist, wie Ivy es geplant hat.«
Bram sah, dass es keinen Sinn hatte, jetzt über Malcolm zu sprechen. Diese Nacht hatten sie Größeres vor.
Van Helsing entlohnte den Droschkenkutscher und schickte ihn weg, dann wandte er sich der zweiten Person zu, die bislang im Hintergrund geblieben war. Auch Bram richtete nun seinen Blick auf Latonas Begleiterin. Sie mochte ein wenig jünger als sein Mündel sein. Kastanienbraune Locken ringelten sich um ein reizendes, blasses Gesicht, das er schon einmal gesehen zu haben glaubte. Sie war zweifellos eine Vampirin, das erkannte er, noch ehe er ihre kalte Hand berührte.
Plötzlich fiel es ihm wieder ein. Bram stieß einen Laut der Überraschung aus.
» Wien! Aber ja, ich habe Ihr Bild gesehen. Sie sind
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